Du oder Ich
Und noch eine Unvollendete aus Bines Feder - a tribute to Megaherz and the one and only misterrrr.....Tarantino!
"Blut ist auch nur eine Farbe."
***Ja Genau***
...ja genau, du bist mein lebenslanger Ratschlag...
"...tief einatmen und wieder ausatmen. Lass die Ströme der Energie dein innerstes Ich erreichen...Tanke die Kraft des Lichts, lass es ein, fühle es, werde eins im Geiste mit der Wesenheit des Universu..ieeeek!"
Der kleine Technikdämon des Diktiergeräts kreischte schrill, als seine Behausung dank einer heftigen Handbewegung über den Schreibtisch schlitterte, an einem Stapel Bücher abprallte, eine Drehung um ein viertel Grad entgegengesetzt erfuhr und schließlich über einen harmlos daliegenden Federkiel holperte und umkippte.
"Heeey! Was kann ich denn dafür, du blöde Kuh? Ich hab den Schwachsinn von dem Guru [*Guru (der) - auch unter den Pseudonymen "Lehrmeister", "Erleuchteter", "Allwissender", "Weiser Mann", "Kelch des Wissens/Geistes/Licht etc bekannte, aus den unendlichen und brennend heißen Wüsten von Klatsch stammende, parasitäre Lebensform, die Wohlstand und Ruhm durch Verbreitung sogenannter spiritueller Weisheit an püschologisch wankelmütige denkende Spezies - die sogenannten "Zu Erleuchtenden" - erlangt. Der dabei erlangte Wohlstand ist diesbezüglich jedoch lediglich als unbeabsichtigte Nebenwirkung anzusehen, da der Meister seinen Schülern aufgrund des Grundsatzes der "reinen universellen Weisheit" etwaige, den Energiefluß blockierende materielle Bürden aufgrund seines Status eines energetischen Blitzableiters abzunehmen verpflichtet ist.*]
ja nicht erfunden!", piepste es entrüstet aus dem Inneren des Gehäuses. Vergeblich wartete der Winzling auf eine Entschuldigung, oder helfende Hände, die ihn - beziehungsweise seine Heimstatt - wieder in eine bessere Position brachten. Stattdessen brach ein akustischer Schwall fieberhaft inszenierter Geschäftigkeit über ihn herein, gekrönt von dem Knall einer schwungvoll geschlossenen Bürotüre.
Nach dem Abebben der abziehenden Schallwellen, war in dem kleinen Ausweichbüro des stellvertretenden Abteilungsleiters der DOG lediglich ein dumpfes Rascheln zu vernehmen, als der Dämon sich aus dem Wust seiner Skripten zu wühlen versuchte.
"So ne verdammte Sauerei!", fluchte das Wesen vor sich hin, "Wer läßt zu, dass derart durchgeknallte Weiber modernste Technik in die Hände kriegen? Ich sollte mich bei der Gewerkschaft beschweren! Jawoll, das tue ich, das werde ich! Wo ist nur meine Feder...ah...oooch... abgebrochen, so'n Mist!"
***Weiter***
...ich will, ich kann, ich muss weiter...
Verbissen kämpfte sich Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler einen Weg durch die plötzlich aufgekommene Betriebsamkeit des Hauptwachhauses. Vermutlich war der Kommandeur unterwegs auf einem Streifzug durch die Abteilungen. Sollte er doch, sie wusste nur eines - sie musste hier raus! Dringend! Irgendwie musste es ihr gelingen, die Bilder aus dem Kopf zu bringen. Bilder, über deren tieferen Sinn sie nicht genauer nachdenken wollte. Nicht jetzt. Nicht hier.
"Du musst dich konzentrieren, Kleine."
Der Geist von Ricardos Stimme gewann die Oberhand in dem wirbelnden Gedankenchaos hinter ihrer Stirn.
Und er hatte durchaus recht, aber selbst die fremdartigen Techniken des klatschianischen Alten aus der Esoterischen Strasse halfen ihr nicht dabei, ihre Gedanken auf die wichtigen Dinge zu lenken. Dabei war es einfach unumgänglich, wollte sie je die neue Spezialisierung erlangen. Ein falscher Ton, ein falsches Wort und ihre Tarnung wäre nichts mehr als eine lächerliche Farce, die sie schneller in die Arme ihrer Ahnen treiben würde, als ihr lieb war.
"Heee, pass doch auf, du du... Äh, guten Tag, Mäm!"
Die Achaterin achtete nicht auf die Kaffeepfützen zu Füssen des bedauernswerten Gefreitens, der sich dank ihrer Ellbogentechnik nunmehr erneut mit dem hauseigenen Espressodämonen herumstreiten musste.
Ricardo Cavalli, ihr unfreiwilliger Partner in der Geschichte um den Roten Löwen, ehrenwertes Mitglied der Diebesgilde und dank seiner Herkunft und ihren Ersparnissen nunmehr ihr Lektor in Sachen "Brindisianisch". Sie seufzte leise in Gedanken an ihre letzten Unterrichtsstunden. Sie war ganz gut, das hatte er immerhin zugeben müssen, aber das reichte noch lange nicht. Mittlerweile brachte sie nach drei Wochen intensivster Auseinandersetzung mit der fremden Sprache sogar bereits ein annähernd passabel klingendes "R" über die Lippen...
***Beiss mich***
...zeig mir deine Zähne und reiß mich...
Gedankenverloren griff Drei Hungrige Mäuler nach einem der angebotenen Sandwiches, legte ein paar Münzen auf die Theke und setzte ihren Weg über den Marktplatz fort. Hungrig biss sie in das Brötchen.
"Drei! Meine Güte, ich such dich schon ne ganze Weile. Zum Glück konnten mir die Kollegen von SEALS weiterhelfen...Sag mal, seit wann stehst du auf Rattenburger!?" Goldie Kleinaxts vom Laufen erhitztes Gesicht schob sich in das Blickfeld der Gildenexpertin. Verwunderung drang aus allen Poren der zwergischen Miene.
Der erste Bissen war bereits zu nahe an seinem Ziel. Tapfer würgte die Achaterin ihren Imbiss hinunter, und versuchte, glaubhaftes Erschrecken über Goldies unvermitteltes Auftauchen zu mimen, in Folge dessen das restliche Brötchen zu einem ungewollten Demonstrationsobjekt des geltenden pysikalischen Gesetzes der Gravitation wurde.
"Goldie! Was...? Was gibt es? Was ist passielt?"
"Du musst sofort mitkommen! Es ist einfach...einfach schrecklich! Der Schäff...er...wir...du...du bist schließlich Stellvertreter, wir brauchen dich unbedingt dringend!"
Der aufgeregte, fast schon hysterische Tonfall des Dobermanns, versetzte die Achaterin in Panik.
So schnell sie konnten eilten die beiden Wächterinnen auf kürzester Strecke in die Springstrasse 21.
***Augenblick***
... es ist alles nur ein Augenblick, in einem Augenblick...
Wild flackerten die Bilder im Kopf der Lance-Korporal. Bilder von Robin, bleich, leblos, blutüberströmt. Aus den Tiefen ihrer Erinnerung starrten ihr blicklos zwei alte Silbermünzen entgegen, fast schon fühlte sie das alte, zerknitterte Pergament wieder zwischen den Fingern. Eine Substanz die sie zu hassen gelernt hatte. Gross, schwarz und drohend hing der Buchstabe "K" vor ihrem inneren Auge.
"Nein", keuchte sie, als das alte Portal der Boucherie in Sicht kam.
Der Irre konnte nicht, er durfte nicht, wie hätte er...Robin und sie waren doch so vorsichtig bei den Ermittlungen gewesen...Wie konnte er es auch nur wagen!!!
Blinde Wut überspülte sämtliche Empfindungen des Dobermanns. Sollte er dem Fähnrich auch nur ein Haar gekrümmt haben, würde sie ihn finden und wenn sie ihn bis an den Rand der Scheibe verfolgen musste!! Und dann...Ihre Augen loderten in grünem Feuer, ein grausames Lächeln verzerrte ihre Lippen, Blutströpfchen bildeten sich dort, wo sich ihre Nägel in rasender Vorfreude in ihre Handflächen bohrten.
Lautes, schrilles Stimmengewirr empfing die stellvertretende Abteilungsleiterin der DOG, als sie hinter der Zwergin in den Flur trat.
Der Flur - der Geruch des widerlichen Bohnerwachses, das dieser unnütze Hausmeister verwendete, stieg ihr in die Nase und brachte ihr andere Bilder zurück ins Gedächtnis. Bilder, die sie verdrängen wollte und die ihr jetzt Tränen in die Augen trieben. Fast blind stolperte sie vorwärts, genau in die Arme von...
"Lobin!" Fassungslos starrte sie in das so vertraut gewordene Gesicht ihres Vorgesetzten.
"Den Göttern sei Dank! Gute Arbeit, Goldie, danke. Gut, dass du da bist. Bitte übernimm den Fall hier, ich..." Fähnrich Picardo, hochrot im Gesicht, schob die Achaterin einem Schutzschild gleich in Richtung der wogenden Menge aus Spitzen, Rüschen und sehr viel rosigen Fleisches.
Alarmstufe Rot. Das also war es. Drei Hungrige Mäuler verstand.
"Ähm, Söl", raunte sie dem Alchemistenexperten ins Ohr, "wolum geht es denn hiel eigentlich?"
***Glas und Tränen***
...holt euch, was euch nicht gehört; Schwäche zeigen heißt verlieren...
Mah Lori lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, wach auf ihrer Matte aus geflochtenen Binsen und starrte auf den altvertrauten Riss in der Decke des kleinen Lehmhauses.
Es war wieder einer jener Abende gewesen. Einer jener Abende, an dem der alte, nach Reisschnaps stinkende Fettsack nach Hause kam, herumbrüllte, die vollen Schüsseln mit dem üblichen Gemisch aus Reis und zähen Fleischstücken durch den kleinen Wohnraum schleuderte und wüsteste Beschimpfungen von sich gab.
Nun, zumindest hatte er seine Frau nicht geschlagen. Nicht so wie sonst. Die aufgeplatzte Lippe würde sie morgen wahrscheinlich mit einem ihrer "kleinen Unfälle" erklären. Wenigstens bedeutete es, dass er heute nicht zu ihr kommen würde. Seine Wut an ihr auslassen.
Ihre Mutter musste sich nicht, wie sie es sonst immer tat, taub, stumm und blind stellen. Heute nicht. Heute war einer der guten Tage, an denen sich die beiden wohl gemeinsam in ihre Schlafkammer zurückziehen würden.
Sie gestattete sich ein kleines, bösartiges Lächeln, als sie an die ältere Frau dachte.
Erst als ihre Gedanken zu einem der letzten Abende abdrifteten, wurden ihre Gesichtszüge weicher. An jenem Abend hatte sie das erste mal den Fleischlieferanten der Familie gesehen. Mi Ky, ein stattlicher junger Mann mit Muskeln wie Taue, fröhlich blinzelnden Augen und einem umwerfend strahlenden Lächeln, das er ausnahmslos ihr geschenkt hatte.
Sie seufzte wohlig auf, als sie an ihn dachte. Wäre es nicht traumhaft, wenn er sie eines Tages aus diesem verseuchten Rattenloch befreien käme, weg von den Ungeheuern, mit denen sie gezwungen war, tagein, tagaus ihr Leben zu teilen? Er würde die Türe aufbrechen, ihre widerlichen Alten mit nur einer leichten Bewegung seiner starken Arme zum Schweigen bringen, sie aus ihrer Kammer holen und auf Händen hinaus in die Freiheit tragen. Und ihrem Bruder, diesem kleinen Schwein, würde sein hämisches Gekicher ebenfalls im Halse stecken bleiben - dafür würde sie zur Not selbst sorgen...
***Das Licht am Ende der Welt***
...Zeig mir das Licht, am Ende der Welt; nimm mich mit ans Ende der Zeit. Zeig mir den Weg und das Ziel; reich mir die Hand die mich hält...
Sanft spiegelte sich der orangefarbene Vollmond in den Wellen des Ozeans. Eine warme Sommerbrise streifte ihre nackten Arme und verursachte ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Hand in Hand standen Mah Lori und ihr Geliebter auf dem Grenzwall des Achatenen Reichs und blickten hinunter auf die Lichter von Bes Pelargic. Die grossen Segler schaukelten verträumt im Hafenbecken und lockten mit einer abenteuerlichen Zukunft. Ihrer beider Zukunft.
Zärtlich streichelte Mi Ky seiner Braut übers Gesicht, zog ihre schön geschwungenen Brauen nach, die Konturen ihrer weichen Wangen, streifte die vollen Lippen und genoss den Anblick als sie sich verheissungsvoll öffneten, bereit für einen weiteren innigen Kuss.
"Aaaarghhhh....![urinierender Hund]" Der leise Schrei erstarb in einem gurgelnden Röcheln, als Mi Kys Dolch die Kehle des letzten noch lebenden Grenzwächters am Fusse der hohen Mauer durchbohrte. Blut besudelte den Boden der äußersten Meter des Kaiserreiches. Hellrote Ströme mischten sich mit den dunklen Lachen, überzogen frisches Grün mit dem versickernden Lebenssaft dreier Männer, die in Ausübung ihrer Pflicht dem obersten Herrscher gegenüber, zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
"Dass diese Drecksäcke nicht leise verrecken können", knurrte Mi Ky verärgert, "jetzt, wo ich etwas Wichtiges zu tun habe." Seine Stimme wurde augenblicklich wieder sanft. Leises Lachen quittierte seine Bemerkung, als wäre es ein kleiner Scherz zwischen Liebenden gewesen.
Der junge Mann blickte Mah Lori tief in die leuchtenden dunklen Augen. "Mah Lori", seine Stimme vibrierte leise, "du weisst, dass ich dich liebe. Bist du bereit, dein Leben mit meinem zu vereinen? Wirst du mit mir kommen, wenn ich eines dieser Schiffe in eine bessere Zukunft nehme? Wirst du mich als meine Frau begleiten?" Atemlos hielt er inne.
Das Strahlen das über das hübsche Antlitz der Achaterin ging, war Antwort genug. Dennoch hauchte sie ein glückliches "Ja".
Mah Loris Blick verlor sich in seinem lodernden Blick...
***Teufel***
...es ist nicht leicht zu verstehn, es ist nicht einzusehn...
Flammen tanzten in den Tiefen von Mi Kys Augen, wurden grösser, heller. Erneut spürte Mah Lori die sengende Hitze des Feuers. Szenen jüngst vergangener Ereignisse wurden in ihrem Geiste neuerlich lebendig.
Da war der Abend, einer wie so viele andere, als sich die Familie wie immer zum gemeinsamen Abendessen in dem schmuddeligen Raum der kleinen Hütte versammelte. Doch diesmal war es ein wenig anders. Mah Lori kam gutgelaunt, in ihrem besten Kleid bei Einbruch der Dunkelheit nach Hause, Mi Kys heissen Atem noch auf ihrer Haut. Unweit der Hütte erklangen die sehnsüchtigen Töne einer Flöte und ohne zu überlegen stimmte die junge Frau mit heller Stimme in das Lied ein.
Zu spät bemerkte sie die herannahende Faust. Sie fühlte ihre Lippen aufplatzen, warmes Blut rann über ihr Kinn. Die Wucht des Aufpralls schleuderte sie schmerzhaft gegen die Wand. Neuerlich zuckte ein stechender Schmerz durch ihren Kiefer. Ein weiterer Schlag traf ihre Schläfen und sein dumpfes Echo hallte in ihrem Schädel nach. Geifertröpfchen benetzen ihr Gesicht einem warmen, frühlingshaften Sprühregen gleich. Bevor ihr Vater seine Hand erneut heben konnte, krachte die morsche Eingangstüre aus Sperrholzlatten gegen die Anrichte neben dem Eingang. Holzteller klapperten, als sie über den Fussboden rollten, Suppenschüsseln zerschellten in tausende Scherben. Rasend vor Wut griff Mi Ky nach einer der Fackeln, die die Szene in ein gespenstisches Spiel aus Licht und Schatten tauchte. Gleich einem Knüppel schwang er die improvisierte Waffe und ließ sie mit voller Wucht auf das Schlüsselbein des Alten krachen. Die Flammen versengten das Gesicht des fetten Achaters. Schrille Schreie reinsten Schmerzes durchschnitten die gelähmte Stille innerhalb der Hütte. Erneut fuhr die Keule auf Mah Loris Vater herab, diesmal brach sie entzwei. Jäh verstummten die Laute der Panik. Nicht nur die Fackel konnte der Wucht des Schlages nicht widerstehen, auch das Genick des Alten hielt nicht stand. Verächtlich schleuderte Mi Ky die Reste des Knüppels von sich. Besorgt eilte er zu seiner Liebsten und half ihr behutsam auf die Beine.
Dankbar ergriff die junge Frau seinen starken Arm und zog sich hoch.
Hasserfüllt glänzten ihre dunklen Augen beim Anblick des zusammengesackten Bündel leicht angesengten Fleisches zu ihren Füssen. Sie spie vor ihrem ehemaligen Peiniger auf den Boden. Damit war zwischen ihnen alles gesagt, was noch zu sagen blieb.
Der zweite Blick galt den restlichen Anwesenden. Mutter und Sohn blickten gleichermassen unbeweglich vor Angst furchterfüllt abwechselnd zu Mi Ky, Mah Lori und den Flammen, die sich langsam und nahezu gemächlich durch das Zimmer frassen.
Die junge Achaterin bewegte sich drohend auf sie zu, ihr Galan folgte mit einigen Schritten Abstand.
Mah Lori fühlte, wie sich auch in ihrem Inneren die sengende Hitze ausbreitete. Heiß wallten die Flammen des Zornes auf. Sie hieß ihn willkommen, den lange vermissten Freund und überließ sich ohne Zögern seiner gewaltigen Umarmung.
Ihren Jungen fest an sich gedrückt, wich die Alte zurück. Schritt, für Schritt, für Schritt, bis ihre Kniekehlen schmerzhaft an ein Hindernis stießen. Ungelenk versuchte sie der Truhe auszuweichen, stolperte und stürzte rücklings auf die eheliche Schlafmatte.
Langsam folgte Mah Lori ihrer Mutter in die Kammer, das Gesicht eine Fratze aus blinder Wut und
Rache, die Augen lodernd vor der verzehrenden Macht der inneren Flammen.
"Mo Guai! Teufel!", das Krächzen der Alten verlor sich im aufkommenden Chaos. Die Flammen hatten die Vorräte an Lampenöl gefunden und sich genüsslich am Nachtisch des bereits genossenen Festmahles gelabt. Detonationen und Schreie untermalten Mah Loris Worte, bevor sie zusammen mit ihrem Liebsten durch die Reste der geborstenen Hüttenwand trat.
"Nicht mehr als du, alte Hexe! DU HAST MIR NIE GEHOLFEN!" Die Achaterin wandte sich noch einmal kurz zu dem vor Angst wie gelähmten Jungen um, "Frei, ich bin frei! So wie du, wenn du klug genug bist rasch zu laufen!"
Das Dorf, eine Ansammlung dicht gedrängter, baufälliger Hütten war ein einziges Inferno. Wild kreischende Menschen eilten kopflos hin und her, versuchten die Flammen einzudämmen und gleichzeitig alles an sich zu raffen, das irgendeinen Wert hatte.
Mi Ky packte seine Braut an der Hand und bahnte sich einen Weg durch das Chaos. Als sie einige Meter mit dem herrenlosen Karren eines Wasserbüffellenkers zurückgelegt hatten, stieß Mah Lori ein triumphierendes Geschrei aus. "FREI! Endlich FREI!"
Wild jubelnd fiel sie ihrem Retter um den Hals und griff nach der Peitsche. "Schneller Mi Ky, schneller!"
Ein unangenehmes Geräusch von splitternden Knochen zeigte dem neuen Karrenlenker an, dass der ehemalige Besitzer des Karrens, der sich ihrer wilden Flucht mutig in den Weg zu stellen wagte, nunmehr endgültig auf jegliche Ansprüche verzichtete.
***Zu den Sternen***
...einmal zu den Sternen und wieder zurück...
Flammen, gurgelnde Geräusche der Soldatenpatrouille, denen Mi Ky auf ihrer höllischen Fahrt zur grossen Mauer im Vorüberfahren die Kehlen durchtrennte, Ströme von Blut und das Knacken von Knochen begleiteten Mah Lori auf ihrer Reise zurück.
Die schwarzen Augen ihres Liebsten spiegelten erneut nichts mehr als ihre Gefühle wider. Liebe, Leidenschaft und das Versprechen zueinander zu stehen, zu allen Zeiten.
Geschickt zog Mi Ky etwas aus seiner Jackentasche - ein kleines, geflochtenes Lederband und ein Stück glänzenden Kupferdraht.
"Gib mir deine rechte Hand, Mah Lori."
Die junge Frau tat wie geheissen und ihr Bräutigam knüpfte ihr behutsam das Lederband um den Ringfinger.
"Kraft des mir hier vor den Göttern verliehenen Amtes, erkläre ich hiermit, dich, Mah Lori, zu meiner Frau." Die Worte schwebten leise hinunter zu den Lichtern Bes Pelargics.
Mit einem Nicken forderte der Achate nunmehr seine Frau auf, ihm das Stück Draht ebenso um den Finger zu wickeln.
Überwältigt vor Glück lachte die junge Frau kurz auf und das Mondlicht glitzerte in ihren tränenfeuchten Augen. Ungestüm fiel die frisch gebackene Ehefrau ihrem Angetrauten um den Hals und küsste ihn innig. Ihren Retter, ihre grosse Liebe.
Die Winddrachen des achatenen Reiches streiften über die grosse Mauer, spielten mit Mah Loris Haar, zerrten an ihren Zöpfen und entführten ein weißes Band hinauf zu den Sternen, die hoch über der Mauer strahlten, um es kurz darauf über den Dächern der Stadt wieder freizugeben. Schlangengleich wand sich das Band und segelte hinunter zu den glitzernden Wellen des Meeres.
***Tanz auf dem Vulkan***
...die verlorene Unschuld, einer goldenen Zeit...
Rauschende weinrote Seide, schwarze Spitzen und das leise Knacken eines massgefertigten Mieders waren die ersten Eindrücke die Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler von der Grande Dame der käuflichen Zuneigung gewann. Besorgnis spiegelte sich in kohlgeschwärzten Augen, dennoch bedeutete Rosemarie Palm, die Gildenoberste der Näherinnen, der Wächterin mit einem Lächeln der perfekt geschminkten Lippen, Platz zu nehmen.
Das aufgeregte Geschnatter der Damen des Boucherie drang gedämpft durch die gepolsterte Türe des gediegen eingerichteten Büros von Frau Palm.
"Meine Liebe", begann die verblühende Rose Ankh-Morporks das Gespräch. Trotz der Vorkommnisse, die den bestehenden Aufruhr verursachten, klang die Stimme der Näherin fest.
"Ihr wisst, was passiert ist?", erkundigte sie sich bei der Achaterin.
"Ähm, um genau zu sein, nein. Tut mil sehl leid, Flau Palm, abel ich wulde eben elst hielhel bestellt." Drei Hungrige Mäuler zuckte entschuldigend die Achseln.
"Hat Herr Picardo euch denn gar nichts gesagt?"
"Nein, el wal ein wenig..."
Rosie Palm grinste verschwörerisch. "Ja, ja, der arme Junge, er ist immer ein wenig aus der Fassung, wenn meine Mädchen ihn ansprechen." Die leise Belustigung wich sofort wieder dem geschäftsmässigen Tonfall der Gildenobersten.
"Nun, meine Liebe, wir haben es hier vermutlich mit einer Entführung zu tun, wenn nicht mit Schlimmerem. Ich setze natürlich die grössten Erwartungen in die Fähigkeiten der Stadtwache, meine liebste Roxanne unversehrt wieder in die Arme schliessen zu können."
Rosemarie Palms Worte klangen durch und durch nach einer unausgesprochenen Drohung. Nicht umsonst hatte sie vor Jahren bereitwillig die oberen Geschosse an die Stadtwache vermietet.
"Eine Hand wäscht die andere", setzte Frau Palm überflüssigerweise nach.
Roxanne also. Der kühle Engel. Drei Hungrige Mäuler wusste nicht allzuviel über die Näherin, nur ihren Künstlernamen und den Titel, den sie sich in ihrer beruflichen Laufbahn erworben hatte.
Zuwenige Anhaltspunkte um auch nur irgendeine Spur zu erahnen.
"Flau Palm, ich weiss, ich mische mich vielleicht jetzt in Gildenintelna ein, abel ich blauche unbedingt jeden Hinweis, um ilgendeine sinnvolle Elmittlung übelhaupt beginnen zu können."
Drei Hungrige Mäuler räusperte sich und fuhr fort, "Wann wulde Roxanne das letzte mal gesehen?"
"Gestern abend, gegen Mitternacht, Mya traf sie noch wohlbehalten im Waschraum. Roxanne wollte sich noch kurz frisch machen, denn ein Gentleman machte ihr noch rechtzeitig vor Schichtende seine Aufwartung."
"Und dann?"
"Nun, heute morgen ist sie nicht erschienen und als eines der Mädchen in ihrer Kammer nach ihr sehen wollte, war das Bett unberührt."
"Ich dachte, sie hatte noch einen K...äh, also Besuch gehabt?" Fragend blickte die Gildenexpertin auf.
"Ach Schätzchen, das hat nichts zu bedeuten, Roxanne hat sich, so wie viele andere meiner Mädchen auf spezielle...Techniken spezialisiert."
"Aha?"
"Um genauer zu sein, niemand weiss mehr um das Feuer, das Eiswürfel hervorrufen können, als meine liebe Roxanne." Die ältliche Näherin sah dem Dobermann die Verwirrung ins Gesicht geschrieben an und setzte erklärend hinzu, "Also, nicht gerade Techniken, die sich für Spiele in seidenen Laken eignen. Roxanne hat dafür eine eigens eingerichtete Kammer neben ihrem Schlafraum."
Drei Hungrige Mäuler wusste zwar immer noch nicht, wie ihr diese Informationen weiterhelfen sollten, dennoch notierte sie sich die Auskünfte in ihrem kleinen Notizbuch.
"Wäle es vielleicht denkbal, dass sie mit ihlem letzten Kunden, dessen Name und Adlesse unsele Elmittlungen dulchaus beschleunigen könnten, ähm, aussel Haus gegangen ist?"
"Name und Adresse?" Frau Palm kicherte ungeniert vor sich hin. "Ihr glaubt doch nicht, dass unsere Kunden tatsächlich ihren wahren Namen angeben, oder?" Ein Blick in die unschuldige Miene der Achaterin bestätigte die Befürchtung. "Also, wir haben natürlich ein Gästebuch beim Schalter aufliegen, dennoch sind wir so diskret, dass wir die Angaben unserer geschätzten Besucher hinterfragen. Nicht, wenn sie im Voraus bezahlen und schon gar nicht, wenn sie einen Ehering tragen."
"Wel wal del letzte Gentleman, del Roxanne besuchte?"
"Nun, nur soviel, keiner der üblichen Stammkunden. Nicolette, das Mädchen am Empfang konnte sich aber erinnern, dass er eine Art Ehering trug."
"Eine Alt?"
"Nun ja, er hatte ein Stückchen Kupferdraht um den Finger gewickelt, fast als wäre dies ein Ehering aber dennoch hat er ohne Zögern die vereinbarte Summe in bar hinterlegt."
"Gibt es nähele Hinweise zu diesem Gentleman?" Die Gildenexpertin ließ nicht locker.
"Nun, er nannte sich Doktor Husar und als Adresse gab er ein namhaftes Hotel in der Affenstrasse an, das "Goldene Reiter". Wobei...wie gesagt, gerade bei diesem Gentleman bin ich sicher, dass es nicht der richtige Name war."
"Wieso, Flau Palm?"
"Er war offensichtlich ein Landsmann von euch, meine Liebe."
"Ihl meint, ein Achate?"
"Ja genau."
Während die Lance Korporal eifrig in ihr Büchlein kritzelte, setzte sie nach, "Wieso seid ihl so sichel, dass Loxanne nicht mit dem Gentleman aussel Haus ging?"
"Nun, Paragraph 17a der Gildenordnung - Hausbesuche sind ausnahmslos nur bei Stammkunden zulässig und dem Mädchen am Empfang zu melden. Ausserdem ist hiefür eine Extragebühr zu entrichten."
"Was nicht elfolgte, lichtig?"
"Korrekt", stimmte die Näherin zu.
"Könnte es denn sein, dass Loxanne zu, ich weiss nicht, einem Velwandten in Nöten gelufen wulde, odel vielleicht einen Heilkundigen aufsuchte. Ilgendeine Velabledung vielleicht?"
Rosie Palm schüttelte den Kopf. "Nein, Roxanne hat hier in der Stadt keine Verwandten und auch keinen Freund, das hätte ich gewusst. Und wenn meine Mädchen Probleme mit .... also wenn sie sich gesundheitlich nicht wohl fühlen, haben wir unsere eigenen Spezialisten, die sofort ins Haus kommen. Ausserdem ist Roxanne niemals ausser Haus gegangen, ohne jemandem Bescheid zu geben."
"Hmmm...", die stellvertretende Abteilungsleiterin der DOG war mit ihren Ideen fast am Ende.
"Eine Flage noch, Flau Palm, wie lange ist del Anmeldeschaltel besetzt?"
"Nun, eigentlich bis zwei Uhr nachts und dann wieder ab sechs Uhr morgens. Für Besuche ausserhalb dieser Zeit haben wir eine Notfallsklingel draussen in der Nische neben dem Portal. Aber das wisst ihr Wächter wohl ohnehin."
"Das heisst, jemand könnte unbeobachtet zwischen zwei Uhl und sechs Uhl molgens aus del Bouchelie hinauskommen, velstehe ich das lichtig?"
"Nun, ja, das wäre möglich", gestand die Gildenoberste ein.
"Gut Flau Palm, vielen Dank fül ihle Infolmationen. Wil welden das Velschwinden von Loxanne sichel bald aufgeklält haben. Zul Sichelheit welde ich alleldings ein Spulensichelungstiehm von SUSI bitten, sich Loxannes Kammel genau anzusehen, vielleicht finden die Kollegen ja Hinweise, die auf eine gewaltsame Entfühlung hindeuten."
"Tut, was immer ihr für nötig erachtet, meine Liebe, aber bringt mir mein Mädchen rasch und unversehrt wieder." Frau Palm erhob sich, um die Wächterin hinauszugeleiten.
"Natüllich, Mädäm, dalauf können sie sich vellassen", antwortete die Lance Korporal mit mehr Zuversicht, als sie in ihrem Innersten aufzubringen vermochte.
Die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen hatte begonnen. Die Fanfaren der Jäger hallten noch im Geiste der Achaterin wider.
***Miststück***
...geküßt und infiziert; gehaßt und abserviert...
Diskret wandte Tod seine Blicke von der Szene vor ihm ab. Selten genug kam es vor, dass er vor der vereinbarten Zeit eintraf, doch derzeit herrschte eine ziemlich lockere Auftragslage.
Wenn der junge Mann gewusst hätte, wer ihn aus der Ecke des Mietstalles beobachtete, oder genauer gesagt, taktvollerweise nicht beobachtete, er hätte vermutlich nicht annähernd die gesamte Palette seiner - gelinde gesagt, beschränkten - Fähigkeiten ausgespielt.
Nur zu bereitwillig hatte er der hübschen Kundin sämtliche Vorzüge der neuen Droschke gezeigt, die Hilbert Kumpf, sein Boss, erst letzte Woche erworben hatte.
Sie war einfach umwerfend. Ihre mandelförmigen Augen, schwarz wie der tiefste Abgrund, ihre langen, seidig glänzenden dunklen Haare, ihr schwingender Gang...Seufzend beugte er sich über die schöne Fremde. Schon immer hatte er eine Vorliebe für exotische Frauen, doch bisher hatte ihn noch keine derart einladend aufgefordert...
***Schlag zurück***
... nimm sie auseinander, stück für stück ...
Weshalb hatte Mi Ky sie auch so vor den Kopf stoßen müssen? Warum tat er ihr das an? Liebte er sie denn nicht mehr?
Dass sie nicht mehr attraktiv wäre, nun diesen Punkt hatte sie vor kurzem sehr eindeutig widerlegt bekommen. Dennoch, Männer waren doch alle gleich, sie dachten nur an ihr Vergnügen, nie an die Frau dahinter. Hätte er sich anders verhalten, hätte er nicht die gleiche Gier gezeigt, wie ihr Vater, nun wer weiss...
Mah Loris Fuß schmerzte noch immer ein wenig beim Gehen, aber das Hochgefühl, welches ihr die Panik in seinen Augen im Augenblick ihres Triumphes über den Peiniger verschaffte, ließ sie die Schmerzen vergessen.
Ihre Gedanken wanderten wieder zurück zu Mi Ky, jenem Mann, den sie abgöttisch liebte und ihr wurde klar, dass sie ihm verzeihen würde. Er war nicht so, wie die anderen; der Abschaum, der sie lediglich benutzen wollte. Sollte er seine Abwechslung haben, der blond gelockte Engel war ohnehin nur ein Spielzeug. Ja, sie würde nie wieder an ihm zweifeln, schließlich hatte er ihr, ihr allein, sein Versprechen gegeben, das Mädchen, nun, sie war nicht wichtig, sie war nur ein kurzes Aufleuchten in Mi Kys Augen, sie jedoch war die Fackel, die seinen Weg bis zum Ende beleuchten würde.
Mah Loris Puls beruhigte sich mit jedem weiteren Schritt, den sie durch die dunklen, verwinkelten Gässchen tat.
Als sie die schwach erleuchtete Schenke betrat, zierte ihr übliches gelassenes Lächeln ihre hübschen Gesichtszüge.
Wenig später trat sie zurück hinaus in die nächtliche Kühle der Stadt, ein kleines Päckchen in der Hand. Sie und ihr Liebster würden heute noch mit den Jadedrachen auf den Nebeln tanzen und danach...
Mah Lori ließ ein kehliges Lachen hören, ein Lachen voll der schönsten Verheißungen höchsten Glückes.
Tja und danach würde sie ihn bitten, das Mädchen zu entfernen...
***Himmelfahrt***
...du kennst den Weg und ich bin der Pilot, auf dieser hauchdünnen Bahn - zwischen Leben und Tod ...
Das letzte Sandkorn zwängte sich lautlos durch die Verengung des Stundenglases.
Es war soweit. Michael Bleibtreu hatte seine Chance gehabt, aber er war wohl nicht annähernd so begabt wie der berühmte Casanunda.
Tod drehte sich um und prüfte mit Kennerblick die Szenerie.
Kaum hatte die junge Dame ihrem Unmut freien Lauf gelassen, war sie auch schon durch die Stalltüre geschlüpft, direkt in die gierigen Arme der nächtlichen Stadt. Lediglich ein Hauch von Yasmin lag in der staubgeschwängerten Luft. Und natürlich der Geruch von Schweiß, Blut und - der Schnitter sog die Luft durch die Nasenlöcher - der fast nicht wahrnehmbare Duft grenzenloser Verwirrung.
Unbeholfen rappelte sich sein derzeitiger Kunde auf und klopfte sich geistesabwesend den Staub und die Strohreste vom Hosenboden. Offenbar konnte dieser es nicht glauben, dass die fremdländischen Schönheit so wenig Gefallen an seinem Unterhaltungsprogramm gefunden hatte, dass sie dessen Höhepunkt gar nicht abgewartet hatte. Fieberhaft durchsuchte Michael die Kutsche, doch die Dame glänzte durch Abwesenheit. Lediglich zwei wohlgeformte Mulden im Ledersitz der Droschke und die zerfasernden Wölkchen ihres blumigen Parfums zeugten noch von ihrer Gegenwart.
Streng genommen müsste es eigentlich vergangene Gegenwart heißen, wenn er sich richtig an die hitzige Diskussion mit Aetas zurückerinnerte.
Nein, das war nicht richtig. Der Schnitter runzelte die Stirn. Er würde sich vielmehr daran erinnern werden. Seufzend trat Tod näher an das ektoplasmatische Gebilde, das zu Lebzeiten einst Michael Bleibtreu genannt wurde. Das war schon immer das Problem mit Zeit - sie verwirrte einem die Sinne - sogar jemandem wie ihm.
Entschlossen trennte die schimmernde Klinge der Sense das bläulich glänzende Band, das Michael noch an seinen toten Körper fesselte.
"KOMM, ES IST ZEIT ZU GEHEN, MICHAEL." Tod streckte die knochige Hand nach der wabernden Gestalt des jungen Mannes aus.
"Zeit? Aber...warum? Und wohin gehen wir?" Zögernd flackerte das Gebilde, das mittlerweile nur mehr entfernt an den zusammengekauerten Leichnam mit dem blutverschmierten Gesicht am Fusse des Wagens erinnerte.
"ICH FÜHRE DICH NUR AN DEN PUNKT, AN DEM DEINE REISE BEGINNT. DEN RECHTEN WEG JEDOCH KENNST NUR DU."
"Äh, bevor wir gehen, darf ich dich noch etwas fragen?"
"NATÜRLICH."
"Äh, also...nun ja, es ist mir ein wenig peinlich, aber...wartest du schon lange?"
"OH, ICH WAR TATSÄCHLICH EIN WENIG ZU FRÜH HIER."
"Du hast...Ich meine, du hast...?!?" Ein ersticktes Keuchen entrang sich Michaels Kehle, während ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg.[*Natürlich kann Ektoplasma mangels vorhandener Lebensfunktionen derartige Reaktionen nicht mehr produzieren, aber Menschen halten nunmal gerne an alten Gewohnheiten fest.*]
"42. ICH HABE EXTRA NACHGERECHNET."
Ein Blick auf den Geist genügte ihm.
"DIE STROHBALLEN IN DER HINTEREN ECKE DES STALLES. ES SIND EXAKT 42 STÜCK. ICH BIN NICHT GERNE UNTÄTIG, WÄHREND ICH WARTE."
"Oh Io mio!" Händeringend stürzte Hilbert Kumpf auf den reglosen Körper seines Mitarbeiters zu, geradewegs mitten durch die beiden anwesenden Gestalten.
***Meine Sünde***
...ein letztes mal geb ich der versuchung nach...
Vorsichtig schob sich der, in eine schwarze Uniform gekleidete, muskulöse Mann näher an die Türe. Die Armbrust lag schussbereit locker in seiner rechten Hand. Langsam drückte er Zentimeter für Zentimeter die Zimmertüre auf. Den Göttern sei Dank kümmerte sich in diesem Hause kein Igor um allfällige Hausmeistertätigkeiten.
Er spähte in den Spalt der leicht geöffneten Tür. Der Raum dahinter war noch schwach von ein paar ziemlich herabgebrannten Kerzen erleuchtet und er konnte die Umrisse eines Bettes mit zerwühlten Laken darauf erkennen. Schwacher Parfumduft zeugte von der Anwesenheit einer Frau, der andere Geruch bestätigte ihn in der Annahme, dass er sich nicht in der Adresse geirrt hatte. Prüfend sog er neuerlich die Luft ein. Kein Zweifel, die Jadedrachen hatten getanzt. Vermutlich handelte es sich sogar um einen festlichen Ball, denn der Rauch zwängte sich sogar hier draussen im Flur unbarmherzig in sein Gehirn.
Würde er sie hier nunmehr finden? Und wenn ja, was dann? Wäre er dann endlich am Ziel seiner Träume, würde er seinen Triumph endlich auskosten können?
Noch einmal atmete er tief durch und tat das, was er während seiner langjährigen Ausbildungszeit bis zur Perfektion erlernt hatte.
Der Uniformierte drückte die Türe auf, hechtete ins Zimmer und zielte mit einer geschmeidigen Bewegung auf das Bett, die linke hintere Zimmerecke, die rechte und auf den Bereich hinter der Türe. Vergebens, das Zimmer war leer. Nun, nein, nicht ganz, ein auf den ersten Blick als unerwünschtes Zielobjekt qualifiziertes Bündel Mensch kauerte gefesselt in der rechten Ecke des Raumes.
Leicht enttäuscht erhob sich der Mann wieder auf die Beine. Immerhin, er hatte eine Geisel gefunden, eine die sich wider Erwarten noch am Leben befand und sich als Draufgabe als eine ausnehmende Schönheit mit langen blonden Locken, die ihn aus schreckgeweiteten blauen Augen anstarrte, herausstellte. Ein erstickter Schrei, der sich erfolglos durch ein schmutziges Tuch in ihrem Mund zu quälen suchte, war ihr Willkommensgruss an ihn.
Rosa Hutmacher, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Roxanne, versuchte ihrem Zorn Luft zu machen. Dieses verdammte Achatenpack!
Der Blick auf die stählerne Spitze einer Nummer sieben, die punktgenau auf die Stelle zwischen ihren veilchenblauen Augen gerichtet war, ließ sie vorerst ihren Ärger hinunterschlucken. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, dass der Uniformierte warnend den Zeigenfinger an die Lippen gelegt hatte. Seine Augen erinnerten sie an Onyxe, hart, kalt und unergründlich.
Sie nickte knapp, dass sie verstanden hatte.
Kurz darauf genoss sie das Gefühl, die verbrauchte Luft der kleinen Hotelsuite tief in ihre Lungen zu pumpen. Während sie versuchte, das taube Gefühl aus ihren ansprechenden Gliedmassen zu massieren, musterte sie ihr Gegenüber abschätzend. Er war ihr fremd, hatte aber dennoch etwas Vertrautes an sich - kein Wunder, wenn man so wie sie tagein tagaus in der Boucherie Rouge verweilte, konnte man einen Wächter meilenweit gegen den Wind erkennen. Dienstmarken hatten einfach eine ganz eigene Wirkung auf den Träger selbiger, dazu mussten sie noch nichtmal sichtbar getragen werden. Jedoch würde sie sich hüten, diese Erkenntnis je einem Hüter der Gesetze unter die Nase zu reiben, zu unterhaltsam waren allein die Versuche der Grauen, wenn sie sich mit Lieselottes Hilfe in scheinbar unauffällige Normalbürger verwandelten. Sie und ihre langjährige Kollegin hatten sich schon so manchesmal schiefgelacht, wenn sich wieder ein stolzer verdeckter Ermittler unters Volk mischte.
"Ihr gehört nicht zu den Unsrigen", kam es unfreundlich über Roxannes Lippen.
"Sondereinsatzkommando", entgegnete der Mann schroff. Sein morporkianisch war einwandfrei, ein Zeichen, dass er nicht vertraut mit der Zwillingsstadt an dem zähen Fluss war.
Roxanne vermutete, dass er die Sprache aus Büchern und nicht wie der typische Einheimische auf der Strasse gelernt hatte.
"So? Nun, es überrascht mich nicht, dass Frau Palm eine Spezialtruppe erwirken konnte, aber für eine raschere Befreiung hätte ich mich liebend gerne auch mit einem kleinen Würstchen aus der Kröselstrasse zufrieden gegeben."
"Frau Palm? Ich unterstehe einzig dem Befehl des obersten Herrschers", erwiderte der Wächter.
Roxanne lachte amüsiert auf. "Das tut ihr doch wohl alle, der Kommandeur eingeschlossen. Und nun, zückt euren Notizblock, nehmt meine Anzeige gegen die verfluchten Achaten entgegen und bringt mich danach unverzüglich in die Springstrasse. Ich möchte gern ein Bad nehmen und mich umkleiden." Takt und Diplomatie zählten noch nie zu Roxannes besonderen Talenten, allerdings wogen ihre anderen Fähigkeiten das diesbezügliche Manko mehr als auf.
Leutnant Shaag Ne Ti, Mitglied der kaiserlichen Palastwache Hung Hungs, kämpfte schwer gegen die Versuchung an. 'Noch nicht', hielt er sich selbst zurück. Erst musste er wissen, was dieses Weib wusste. Dann...nun dann würde er wohl erst ein wenig den Tathergang der letzten Stunden rekonstruieren, mit Hilfe der anwesenden Augenzeugin. Doch danach... Nur noch einmal, ein letztes Mal, bevor er an seinem Ziel angelangt sein würde...
Er erlaubte sich ein kurzes Lächeln der Vorfreude und lockerte den Griff um die Armbrust ein wenig.
Das neunundvierzigste bedauernswerte Opfer, das ihren Namen auf die blutige Liste der insgeheim vom Volk gefeierten Rebellen des Kaiserreichs, My Ki und Mah Lori, setzen würde. Wenn sie sich würdig erwies, würde Ne Ti der blondgelockten Teufelin von jenseits der grossen Mauer vielleicht sogar eine Zeile in seinem grossartigen Gedicht widmen. Jenes Gedicht, das ihm unweigerlich die Beförderung zum ersten Kämmerer des Kaisers einbringen würde.
Der Schankraum des Eimers war wie immer in den Abendstunden gut gefüllt. Wächter aller Abteilungen, die das Glück hatten, dienstfrei zu haben, drängten sich rund um die Tische. Die vier DOG's, die sich nach einer relativ ergebnislosen Einsatzbesprechung hinsichtlich des Falles Roxanne ein wenig Inspiration in Form eines BND [*Bier nach Dienst - eine der besten Erfindungen, seit sich die ersten Grüppchen humanoider Spezien zusammengeschlossen hatten, um die Effizienz ihres täglichen Tuns zu produktiver Arbeit zu steigern. Natürlich liefen Körper und Geist dadurch immense Gefahr zu überhitzen, doch dank göttlicher Fügung oder möglicherweise auch aufgrund eines missglückten Experiments eines bis dato unbekannten Erlösers, ward der arbeitenden Bevölkerung ein bestens geeignetes Kühlmittel zum Geschenke gemacht worden*] erhofften, ergatterten mit Müh und Not noch freie Plätze an einem der Tische, an denen sich Mitarbeiter von RUM und SUSI breit gemacht hatten.
Glücklicherweise war weit und breit kein Okkultismusexperte zu sehen, denn das hätte die ohnehin schon üble Stimmung des Fähnrichs keineswegs zum Besseren gewandt.
Neben der stellvertretenden Abteilungsleiterin waren auch noch der zwergische Dobermann und einer der letzten Neuzugänge der Abteilung für Gildenangelegenheiten, der Molosswelpe mit dem schier unaussprechlichen Namen, mit von der Partie.
Kaum hatte sich die Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler zu einem Platz an der Längsseite des Tisches vorgearbeitet, penibel darauf achtend, dass ihr Robin ja auf den Fersen blieb, fühlte sie eine kalte Hand an ihrer Schulter und mit einem freudigen "Hallo Kollegen!", zwängte sich die Gefreite Krulock behende zwischen ihre beiden Vorgesetzten und verwickelte Picardo sogleich in ein wahnsinnig wichtiges Gespräch über die vorige Woche neu aufgenommenen Studenten der von ihr betreuten dunklen Gilde.
Goldie, mit der die Achaterin bereits einiges erlebt hatte, entging die Enttäuschung auf Dreis Gesicht nicht. Kurze Zeit später, schob sie ihr mit einem verschmitzten Zwinkern einen mit roter Flüssigkeit gefüllten Becher zu.
"Hier, Dlei, mach nicht so ein miesepetriges Gesicht, das gibt Falten", meinte sie leichthin und hob ihren Becher auf ein Salut.
Als die Lance Korporal ihren Becher ebenfalls hob, stieg ihr das unverwechselbare Aroma des Schiantis in die Nase. Augenblicklich hatte sie die blassgrünen Kacheln des Aborts der Muffiaspelunke wieder vor Augen.
"Abel, nein, Goldie, bitte, ich kann nicht...du weisst doch, ich habe mil geschwolen, nie wiedel...", versuchte sie zu protestieren.
"Ach was, einmal ist keinmal. Ich bin sicher, der Schantiwein damals war einfach nur verdorben", beschwichtigte die Zwergin, "trink einfach, du wirst sehen, der von Herrn Käse hat eine weit bessere Qualität."
"Schianti", murmelte Drei Hungrige Mäuler korrigierend und nippte an dem Getränk.
Goldie hatte recht, einmal war keinmal und wenn das erste mal dadurch nicht zählte, war das zweite mal wieder der Beginn...
Rechterhand vernahm sie heiteres Gelächter, das sie aus ihren philosophischen Überlegungen riss. Die gutaussehende Gefreite hatte es doch tatsächlich binnen einiger Minuten geschafft, ihren Vorgesetzten aufzuheitern.
Die Versuchung war zu gross. Entgegen aller guten Vorsätze nahm die Achaterin einen grösseren Schluck. 'Zum letzten Mal', schwor sie sich. Anerkennend hob sie die Augenbrauen.
"Du hast lecht, Goldie, del hiel ist wilklich bei weitem bessel."
Die Kollegin nickte geistesabwesend, denn der Welpe hatte ein Thema angesprochen, das dem kleinen Dobermann nach wie vor ein fiebriges Glänzen in die sonst so sanften Augen zauberte. Die Gildenexpertin der Diebe wusste auch ohne dem Gespräch von anfang an gefolgt zu sein, worüber sich die beiden unterhielten - nur ein Thema bewegte die Zwergin so sehr, wie dieses - Recht und Gerechtigkeit. Über kurz oder lang würde sie den angehenden Moloss von der Notwendigkeit der Rettung der gesamten Scheibe zu überzeugen versuchen. Drei Hungrige Mäuler konnte nur hoffen, dass ihr "Azubi" weiterhin erreichbarere Ziele anstrebte, zumindest hatte sie bei dem Bewerbungsgespräch Dippwin als rechtschaffenen Realisten eingeschätzt.
Sie lächelte in Erinnerung an seine ehrliche Entrüstung, als Robin und sie versucht hatten, ihn zur Annahme von Bestechungsgeldern der Muffia zu verführen. Der Gefreite würde wahrlich ein guter DOG werden. Nicht nur, dass er das zugegebenermassen ziemlich schlimme Eignungsgespräch mit Bravour gemeistert hatte - sie hatte heute noch ein schlechtes Gewissen, dass sie sich im Vorfeld nicht näher über Dippwins Situation informiert hatten und ihn dadurch mit einer ähnlich traumatischen Situation aus seiner Zeit bei GRUND konfrontierten, die sein ganzes Leben lang prägen würde - er stellte sich auch während der praktischen Ausbildung nicht ungeschickt an.
Dippwin, der ihren Blick auf sich ruhen fühlte, sah verwirrt auf und wurde augenblicklich verlegen. Ein leichte Röte brachte Farbe in das bärtige Gesicht des ehemaligen Alchemisten.
Still kicherte die Lance Korporal in sich hinein. Wenn doch nur jemand anders ebenso auf ein Lächeln von ihr reagieren würde...
Immerhin, Robin hatte ihr für ihr eigenes Bewerbungsgespräch als Moloss eine mehr als grandiose Umgebung vorgeschlagen - das Casino Ankh-Morpork! Sie hoffte inständig, dass es ihr so bald als möglich gelingen würde, einen der heissumkämpften Tische im angeschlossenen Nobelrestaurant zu reservieren. Es war zwar ein wenig seltsam, dass er sich nicht darum kümmerte - schließlich war die Einladung ja von ihm ausgegangen - aber immerhin, es war wohl eher in die Kategorie Rendezvous als in jene einer Dienstbesprechung einzuordnen.
Abgesehen davon, ihre Bewerbung war ohnehin eine reine Formsache, denn wenn jemand den Posten eines Molosses ideal ausfüllen konnte, dann wohl niemand anders als sie selbst.
Eine weitere nicht unerhebliche Menge des köstlichen Schiantis fand ihren Weg durch die Kehle der Lance Korporal.
Und wenn er sie erst in dem Gut Schi Kleid sehen würde.... Es war genau so, wie er es ihr aufgetragen hatte - knallrot und hauteng. Wie sie allerdings in den dazupassenden Schuhen den Abend überstehen würde, das war Dreis derzeit grösseres Problem.
...........fts???
"Blut ist auch nur eine Farbe."
Du oder Ich - Zum Töten geboren
***Ja Genau***
...ja genau, du bist mein lebenslanger Ratschlag...
"...tief einatmen und wieder ausatmen. Lass die Ströme der Energie dein innerstes Ich erreichen...Tanke die Kraft des Lichts, lass es ein, fühle es, werde eins im Geiste mit der Wesenheit des Universu..ieeeek!"
Der kleine Technikdämon des Diktiergeräts kreischte schrill, als seine Behausung dank einer heftigen Handbewegung über den Schreibtisch schlitterte, an einem Stapel Bücher abprallte, eine Drehung um ein viertel Grad entgegengesetzt erfuhr und schließlich über einen harmlos daliegenden Federkiel holperte und umkippte.
"Heeey! Was kann ich denn dafür, du blöde Kuh? Ich hab den Schwachsinn von dem Guru [*Guru (der) - auch unter den Pseudonymen "Lehrmeister", "Erleuchteter", "Allwissender", "Weiser Mann", "Kelch des Wissens/Geistes/Licht etc bekannte, aus den unendlichen und brennend heißen Wüsten von Klatsch stammende, parasitäre Lebensform, die Wohlstand und Ruhm durch Verbreitung sogenannter spiritueller Weisheit an püschologisch wankelmütige denkende Spezies - die sogenannten "Zu Erleuchtenden" - erlangt. Der dabei erlangte Wohlstand ist diesbezüglich jedoch lediglich als unbeabsichtigte Nebenwirkung anzusehen, da der Meister seinen Schülern aufgrund des Grundsatzes der "reinen universellen Weisheit" etwaige, den Energiefluß blockierende materielle Bürden aufgrund seines Status eines energetischen Blitzableiters abzunehmen verpflichtet ist.*]
ja nicht erfunden!", piepste es entrüstet aus dem Inneren des Gehäuses. Vergeblich wartete der Winzling auf eine Entschuldigung, oder helfende Hände, die ihn - beziehungsweise seine Heimstatt - wieder in eine bessere Position brachten. Stattdessen brach ein akustischer Schwall fieberhaft inszenierter Geschäftigkeit über ihn herein, gekrönt von dem Knall einer schwungvoll geschlossenen Bürotüre.
Nach dem Abebben der abziehenden Schallwellen, war in dem kleinen Ausweichbüro des stellvertretenden Abteilungsleiters der DOG lediglich ein dumpfes Rascheln zu vernehmen, als der Dämon sich aus dem Wust seiner Skripten zu wühlen versuchte.
"So ne verdammte Sauerei!", fluchte das Wesen vor sich hin, "Wer läßt zu, dass derart durchgeknallte Weiber modernste Technik in die Hände kriegen? Ich sollte mich bei der Gewerkschaft beschweren! Jawoll, das tue ich, das werde ich! Wo ist nur meine Feder...ah...oooch... abgebrochen, so'n Mist!"
***Weiter***
...ich will, ich kann, ich muss weiter...
Verbissen kämpfte sich Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler einen Weg durch die plötzlich aufgekommene Betriebsamkeit des Hauptwachhauses. Vermutlich war der Kommandeur unterwegs auf einem Streifzug durch die Abteilungen. Sollte er doch, sie wusste nur eines - sie musste hier raus! Dringend! Irgendwie musste es ihr gelingen, die Bilder aus dem Kopf zu bringen. Bilder, über deren tieferen Sinn sie nicht genauer nachdenken wollte. Nicht jetzt. Nicht hier.
"Du musst dich konzentrieren, Kleine."
Der Geist von Ricardos Stimme gewann die Oberhand in dem wirbelnden Gedankenchaos hinter ihrer Stirn.
Und er hatte durchaus recht, aber selbst die fremdartigen Techniken des klatschianischen Alten aus der Esoterischen Strasse halfen ihr nicht dabei, ihre Gedanken auf die wichtigen Dinge zu lenken. Dabei war es einfach unumgänglich, wollte sie je die neue Spezialisierung erlangen. Ein falscher Ton, ein falsches Wort und ihre Tarnung wäre nichts mehr als eine lächerliche Farce, die sie schneller in die Arme ihrer Ahnen treiben würde, als ihr lieb war.
"Heee, pass doch auf, du du... Äh, guten Tag, Mäm!"
Die Achaterin achtete nicht auf die Kaffeepfützen zu Füssen des bedauernswerten Gefreitens, der sich dank ihrer Ellbogentechnik nunmehr erneut mit dem hauseigenen Espressodämonen herumstreiten musste.
Ricardo Cavalli, ihr unfreiwilliger Partner in der Geschichte um den Roten Löwen, ehrenwertes Mitglied der Diebesgilde und dank seiner Herkunft und ihren Ersparnissen nunmehr ihr Lektor in Sachen "Brindisianisch". Sie seufzte leise in Gedanken an ihre letzten Unterrichtsstunden. Sie war ganz gut, das hatte er immerhin zugeben müssen, aber das reichte noch lange nicht. Mittlerweile brachte sie nach drei Wochen intensivster Auseinandersetzung mit der fremden Sprache sogar bereits ein annähernd passabel klingendes "R" über die Lippen...
***Beiss mich***
...zeig mir deine Zähne und reiß mich...
Gedankenverloren griff Drei Hungrige Mäuler nach einem der angebotenen Sandwiches, legte ein paar Münzen auf die Theke und setzte ihren Weg über den Marktplatz fort. Hungrig biss sie in das Brötchen.
"Drei! Meine Güte, ich such dich schon ne ganze Weile. Zum Glück konnten mir die Kollegen von SEALS weiterhelfen...Sag mal, seit wann stehst du auf Rattenburger!?" Goldie Kleinaxts vom Laufen erhitztes Gesicht schob sich in das Blickfeld der Gildenexpertin. Verwunderung drang aus allen Poren der zwergischen Miene.
Der erste Bissen war bereits zu nahe an seinem Ziel. Tapfer würgte die Achaterin ihren Imbiss hinunter, und versuchte, glaubhaftes Erschrecken über Goldies unvermitteltes Auftauchen zu mimen, in Folge dessen das restliche Brötchen zu einem ungewollten Demonstrationsobjekt des geltenden pysikalischen Gesetzes der Gravitation wurde.
"Goldie! Was...? Was gibt es? Was ist passielt?"
"Du musst sofort mitkommen! Es ist einfach...einfach schrecklich! Der Schäff...er...wir...du...du bist schließlich Stellvertreter, wir brauchen dich unbedingt dringend!"
Der aufgeregte, fast schon hysterische Tonfall des Dobermanns, versetzte die Achaterin in Panik.
So schnell sie konnten eilten die beiden Wächterinnen auf kürzester Strecke in die Springstrasse 21.
***Augenblick***
... es ist alles nur ein Augenblick, in einem Augenblick...
Wild flackerten die Bilder im Kopf der Lance-Korporal. Bilder von Robin, bleich, leblos, blutüberströmt. Aus den Tiefen ihrer Erinnerung starrten ihr blicklos zwei alte Silbermünzen entgegen, fast schon fühlte sie das alte, zerknitterte Pergament wieder zwischen den Fingern. Eine Substanz die sie zu hassen gelernt hatte. Gross, schwarz und drohend hing der Buchstabe "K" vor ihrem inneren Auge.
"Nein", keuchte sie, als das alte Portal der Boucherie in Sicht kam.
Der Irre konnte nicht, er durfte nicht, wie hätte er...Robin und sie waren doch so vorsichtig bei den Ermittlungen gewesen...Wie konnte er es auch nur wagen!!!
Blinde Wut überspülte sämtliche Empfindungen des Dobermanns. Sollte er dem Fähnrich auch nur ein Haar gekrümmt haben, würde sie ihn finden und wenn sie ihn bis an den Rand der Scheibe verfolgen musste!! Und dann...Ihre Augen loderten in grünem Feuer, ein grausames Lächeln verzerrte ihre Lippen, Blutströpfchen bildeten sich dort, wo sich ihre Nägel in rasender Vorfreude in ihre Handflächen bohrten.
Lautes, schrilles Stimmengewirr empfing die stellvertretende Abteilungsleiterin der DOG, als sie hinter der Zwergin in den Flur trat.
Der Flur - der Geruch des widerlichen Bohnerwachses, das dieser unnütze Hausmeister verwendete, stieg ihr in die Nase und brachte ihr andere Bilder zurück ins Gedächtnis. Bilder, die sie verdrängen wollte und die ihr jetzt Tränen in die Augen trieben. Fast blind stolperte sie vorwärts, genau in die Arme von...
"Lobin!" Fassungslos starrte sie in das so vertraut gewordene Gesicht ihres Vorgesetzten.
"Den Göttern sei Dank! Gute Arbeit, Goldie, danke. Gut, dass du da bist. Bitte übernimm den Fall hier, ich..." Fähnrich Picardo, hochrot im Gesicht, schob die Achaterin einem Schutzschild gleich in Richtung der wogenden Menge aus Spitzen, Rüschen und sehr viel rosigen Fleisches.
Alarmstufe Rot. Das also war es. Drei Hungrige Mäuler verstand.
"Ähm, Söl", raunte sie dem Alchemistenexperten ins Ohr, "wolum geht es denn hiel eigentlich?"
***Glas und Tränen***
...holt euch, was euch nicht gehört; Schwäche zeigen heißt verlieren...
Mah Lori lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, wach auf ihrer Matte aus geflochtenen Binsen und starrte auf den altvertrauten Riss in der Decke des kleinen Lehmhauses.
Es war wieder einer jener Abende gewesen. Einer jener Abende, an dem der alte, nach Reisschnaps stinkende Fettsack nach Hause kam, herumbrüllte, die vollen Schüsseln mit dem üblichen Gemisch aus Reis und zähen Fleischstücken durch den kleinen Wohnraum schleuderte und wüsteste Beschimpfungen von sich gab.
Nun, zumindest hatte er seine Frau nicht geschlagen. Nicht so wie sonst. Die aufgeplatzte Lippe würde sie morgen wahrscheinlich mit einem ihrer "kleinen Unfälle" erklären. Wenigstens bedeutete es, dass er heute nicht zu ihr kommen würde. Seine Wut an ihr auslassen.
Ihre Mutter musste sich nicht, wie sie es sonst immer tat, taub, stumm und blind stellen. Heute nicht. Heute war einer der guten Tage, an denen sich die beiden wohl gemeinsam in ihre Schlafkammer zurückziehen würden.
Sie gestattete sich ein kleines, bösartiges Lächeln, als sie an die ältere Frau dachte.
Erst als ihre Gedanken zu einem der letzten Abende abdrifteten, wurden ihre Gesichtszüge weicher. An jenem Abend hatte sie das erste mal den Fleischlieferanten der Familie gesehen. Mi Ky, ein stattlicher junger Mann mit Muskeln wie Taue, fröhlich blinzelnden Augen und einem umwerfend strahlenden Lächeln, das er ausnahmslos ihr geschenkt hatte.
Sie seufzte wohlig auf, als sie an ihn dachte. Wäre es nicht traumhaft, wenn er sie eines Tages aus diesem verseuchten Rattenloch befreien käme, weg von den Ungeheuern, mit denen sie gezwungen war, tagein, tagaus ihr Leben zu teilen? Er würde die Türe aufbrechen, ihre widerlichen Alten mit nur einer leichten Bewegung seiner starken Arme zum Schweigen bringen, sie aus ihrer Kammer holen und auf Händen hinaus in die Freiheit tragen. Und ihrem Bruder, diesem kleinen Schwein, würde sein hämisches Gekicher ebenfalls im Halse stecken bleiben - dafür würde sie zur Not selbst sorgen...
***Das Licht am Ende der Welt***
...Zeig mir das Licht, am Ende der Welt; nimm mich mit ans Ende der Zeit. Zeig mir den Weg und das Ziel; reich mir die Hand die mich hält...
Sanft spiegelte sich der orangefarbene Vollmond in den Wellen des Ozeans. Eine warme Sommerbrise streifte ihre nackten Arme und verursachte ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Hand in Hand standen Mah Lori und ihr Geliebter auf dem Grenzwall des Achatenen Reichs und blickten hinunter auf die Lichter von Bes Pelargic. Die grossen Segler schaukelten verträumt im Hafenbecken und lockten mit einer abenteuerlichen Zukunft. Ihrer beider Zukunft.
Zärtlich streichelte Mi Ky seiner Braut übers Gesicht, zog ihre schön geschwungenen Brauen nach, die Konturen ihrer weichen Wangen, streifte die vollen Lippen und genoss den Anblick als sie sich verheissungsvoll öffneten, bereit für einen weiteren innigen Kuss.
"Aaaarghhhh....![urinierender Hund]" Der leise Schrei erstarb in einem gurgelnden Röcheln, als Mi Kys Dolch die Kehle des letzten noch lebenden Grenzwächters am Fusse der hohen Mauer durchbohrte. Blut besudelte den Boden der äußersten Meter des Kaiserreiches. Hellrote Ströme mischten sich mit den dunklen Lachen, überzogen frisches Grün mit dem versickernden Lebenssaft dreier Männer, die in Ausübung ihrer Pflicht dem obersten Herrscher gegenüber, zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
"Dass diese Drecksäcke nicht leise verrecken können", knurrte Mi Ky verärgert, "jetzt, wo ich etwas Wichtiges zu tun habe." Seine Stimme wurde augenblicklich wieder sanft. Leises Lachen quittierte seine Bemerkung, als wäre es ein kleiner Scherz zwischen Liebenden gewesen.
Der junge Mann blickte Mah Lori tief in die leuchtenden dunklen Augen. "Mah Lori", seine Stimme vibrierte leise, "du weisst, dass ich dich liebe. Bist du bereit, dein Leben mit meinem zu vereinen? Wirst du mit mir kommen, wenn ich eines dieser Schiffe in eine bessere Zukunft nehme? Wirst du mich als meine Frau begleiten?" Atemlos hielt er inne.
Das Strahlen das über das hübsche Antlitz der Achaterin ging, war Antwort genug. Dennoch hauchte sie ein glückliches "Ja".
Mah Loris Blick verlor sich in seinem lodernden Blick...
***Teufel***
...es ist nicht leicht zu verstehn, es ist nicht einzusehn...
Flammen tanzten in den Tiefen von Mi Kys Augen, wurden grösser, heller. Erneut spürte Mah Lori die sengende Hitze des Feuers. Szenen jüngst vergangener Ereignisse wurden in ihrem Geiste neuerlich lebendig.
Da war der Abend, einer wie so viele andere, als sich die Familie wie immer zum gemeinsamen Abendessen in dem schmuddeligen Raum der kleinen Hütte versammelte. Doch diesmal war es ein wenig anders. Mah Lori kam gutgelaunt, in ihrem besten Kleid bei Einbruch der Dunkelheit nach Hause, Mi Kys heissen Atem noch auf ihrer Haut. Unweit der Hütte erklangen die sehnsüchtigen Töne einer Flöte und ohne zu überlegen stimmte die junge Frau mit heller Stimme in das Lied ein.
Zu spät bemerkte sie die herannahende Faust. Sie fühlte ihre Lippen aufplatzen, warmes Blut rann über ihr Kinn. Die Wucht des Aufpralls schleuderte sie schmerzhaft gegen die Wand. Neuerlich zuckte ein stechender Schmerz durch ihren Kiefer. Ein weiterer Schlag traf ihre Schläfen und sein dumpfes Echo hallte in ihrem Schädel nach. Geifertröpfchen benetzen ihr Gesicht einem warmen, frühlingshaften Sprühregen gleich. Bevor ihr Vater seine Hand erneut heben konnte, krachte die morsche Eingangstüre aus Sperrholzlatten gegen die Anrichte neben dem Eingang. Holzteller klapperten, als sie über den Fussboden rollten, Suppenschüsseln zerschellten in tausende Scherben. Rasend vor Wut griff Mi Ky nach einer der Fackeln, die die Szene in ein gespenstisches Spiel aus Licht und Schatten tauchte. Gleich einem Knüppel schwang er die improvisierte Waffe und ließ sie mit voller Wucht auf das Schlüsselbein des Alten krachen. Die Flammen versengten das Gesicht des fetten Achaters. Schrille Schreie reinsten Schmerzes durchschnitten die gelähmte Stille innerhalb der Hütte. Erneut fuhr die Keule auf Mah Loris Vater herab, diesmal brach sie entzwei. Jäh verstummten die Laute der Panik. Nicht nur die Fackel konnte der Wucht des Schlages nicht widerstehen, auch das Genick des Alten hielt nicht stand. Verächtlich schleuderte Mi Ky die Reste des Knüppels von sich. Besorgt eilte er zu seiner Liebsten und half ihr behutsam auf die Beine.
Dankbar ergriff die junge Frau seinen starken Arm und zog sich hoch.
Hasserfüllt glänzten ihre dunklen Augen beim Anblick des zusammengesackten Bündel leicht angesengten Fleisches zu ihren Füssen. Sie spie vor ihrem ehemaligen Peiniger auf den Boden. Damit war zwischen ihnen alles gesagt, was noch zu sagen blieb.
Der zweite Blick galt den restlichen Anwesenden. Mutter und Sohn blickten gleichermassen unbeweglich vor Angst furchterfüllt abwechselnd zu Mi Ky, Mah Lori und den Flammen, die sich langsam und nahezu gemächlich durch das Zimmer frassen.
Die junge Achaterin bewegte sich drohend auf sie zu, ihr Galan folgte mit einigen Schritten Abstand.
Mah Lori fühlte, wie sich auch in ihrem Inneren die sengende Hitze ausbreitete. Heiß wallten die Flammen des Zornes auf. Sie hieß ihn willkommen, den lange vermissten Freund und überließ sich ohne Zögern seiner gewaltigen Umarmung.
Ihren Jungen fest an sich gedrückt, wich die Alte zurück. Schritt, für Schritt, für Schritt, bis ihre Kniekehlen schmerzhaft an ein Hindernis stießen. Ungelenk versuchte sie der Truhe auszuweichen, stolperte und stürzte rücklings auf die eheliche Schlafmatte.
Langsam folgte Mah Lori ihrer Mutter in die Kammer, das Gesicht eine Fratze aus blinder Wut und
Rache, die Augen lodernd vor der verzehrenden Macht der inneren Flammen.
"Mo Guai! Teufel!", das Krächzen der Alten verlor sich im aufkommenden Chaos. Die Flammen hatten die Vorräte an Lampenöl gefunden und sich genüsslich am Nachtisch des bereits genossenen Festmahles gelabt. Detonationen und Schreie untermalten Mah Loris Worte, bevor sie zusammen mit ihrem Liebsten durch die Reste der geborstenen Hüttenwand trat.
"Nicht mehr als du, alte Hexe! DU HAST MIR NIE GEHOLFEN!" Die Achaterin wandte sich noch einmal kurz zu dem vor Angst wie gelähmten Jungen um, "Frei, ich bin frei! So wie du, wenn du klug genug bist rasch zu laufen!"
Das Dorf, eine Ansammlung dicht gedrängter, baufälliger Hütten war ein einziges Inferno. Wild kreischende Menschen eilten kopflos hin und her, versuchten die Flammen einzudämmen und gleichzeitig alles an sich zu raffen, das irgendeinen Wert hatte.
Mi Ky packte seine Braut an der Hand und bahnte sich einen Weg durch das Chaos. Als sie einige Meter mit dem herrenlosen Karren eines Wasserbüffellenkers zurückgelegt hatten, stieß Mah Lori ein triumphierendes Geschrei aus. "FREI! Endlich FREI!"
Wild jubelnd fiel sie ihrem Retter um den Hals und griff nach der Peitsche. "Schneller Mi Ky, schneller!"
Ein unangenehmes Geräusch von splitternden Knochen zeigte dem neuen Karrenlenker an, dass der ehemalige Besitzer des Karrens, der sich ihrer wilden Flucht mutig in den Weg zu stellen wagte, nunmehr endgültig auf jegliche Ansprüche verzichtete.
***Zu den Sternen***
...einmal zu den Sternen und wieder zurück...
Flammen, gurgelnde Geräusche der Soldatenpatrouille, denen Mi Ky auf ihrer höllischen Fahrt zur grossen Mauer im Vorüberfahren die Kehlen durchtrennte, Ströme von Blut und das Knacken von Knochen begleiteten Mah Lori auf ihrer Reise zurück.
Die schwarzen Augen ihres Liebsten spiegelten erneut nichts mehr als ihre Gefühle wider. Liebe, Leidenschaft und das Versprechen zueinander zu stehen, zu allen Zeiten.
Geschickt zog Mi Ky etwas aus seiner Jackentasche - ein kleines, geflochtenes Lederband und ein Stück glänzenden Kupferdraht.
"Gib mir deine rechte Hand, Mah Lori."
Die junge Frau tat wie geheissen und ihr Bräutigam knüpfte ihr behutsam das Lederband um den Ringfinger.
"Kraft des mir hier vor den Göttern verliehenen Amtes, erkläre ich hiermit, dich, Mah Lori, zu meiner Frau." Die Worte schwebten leise hinunter zu den Lichtern Bes Pelargics.
Mit einem Nicken forderte der Achate nunmehr seine Frau auf, ihm das Stück Draht ebenso um den Finger zu wickeln.
Überwältigt vor Glück lachte die junge Frau kurz auf und das Mondlicht glitzerte in ihren tränenfeuchten Augen. Ungestüm fiel die frisch gebackene Ehefrau ihrem Angetrauten um den Hals und küsste ihn innig. Ihren Retter, ihre grosse Liebe.
Die Winddrachen des achatenen Reiches streiften über die grosse Mauer, spielten mit Mah Loris Haar, zerrten an ihren Zöpfen und entführten ein weißes Band hinauf zu den Sternen, die hoch über der Mauer strahlten, um es kurz darauf über den Dächern der Stadt wieder freizugeben. Schlangengleich wand sich das Band und segelte hinunter zu den glitzernden Wellen des Meeres.
***Tanz auf dem Vulkan***
...die verlorene Unschuld, einer goldenen Zeit...
Rauschende weinrote Seide, schwarze Spitzen und das leise Knacken eines massgefertigten Mieders waren die ersten Eindrücke die Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler von der Grande Dame der käuflichen Zuneigung gewann. Besorgnis spiegelte sich in kohlgeschwärzten Augen, dennoch bedeutete Rosemarie Palm, die Gildenoberste der Näherinnen, der Wächterin mit einem Lächeln der perfekt geschminkten Lippen, Platz zu nehmen.
Das aufgeregte Geschnatter der Damen des Boucherie drang gedämpft durch die gepolsterte Türe des gediegen eingerichteten Büros von Frau Palm.
"Meine Liebe", begann die verblühende Rose Ankh-Morporks das Gespräch. Trotz der Vorkommnisse, die den bestehenden Aufruhr verursachten, klang die Stimme der Näherin fest.
"Ihr wisst, was passiert ist?", erkundigte sie sich bei der Achaterin.
"Ähm, um genau zu sein, nein. Tut mil sehl leid, Flau Palm, abel ich wulde eben elst hielhel bestellt." Drei Hungrige Mäuler zuckte entschuldigend die Achseln.
"Hat Herr Picardo euch denn gar nichts gesagt?"
"Nein, el wal ein wenig..."
Rosie Palm grinste verschwörerisch. "Ja, ja, der arme Junge, er ist immer ein wenig aus der Fassung, wenn meine Mädchen ihn ansprechen." Die leise Belustigung wich sofort wieder dem geschäftsmässigen Tonfall der Gildenobersten.
"Nun, meine Liebe, wir haben es hier vermutlich mit einer Entführung zu tun, wenn nicht mit Schlimmerem. Ich setze natürlich die grössten Erwartungen in die Fähigkeiten der Stadtwache, meine liebste Roxanne unversehrt wieder in die Arme schliessen zu können."
Rosemarie Palms Worte klangen durch und durch nach einer unausgesprochenen Drohung. Nicht umsonst hatte sie vor Jahren bereitwillig die oberen Geschosse an die Stadtwache vermietet.
"Eine Hand wäscht die andere", setzte Frau Palm überflüssigerweise nach.
Roxanne also. Der kühle Engel. Drei Hungrige Mäuler wusste nicht allzuviel über die Näherin, nur ihren Künstlernamen und den Titel, den sie sich in ihrer beruflichen Laufbahn erworben hatte.
Zuwenige Anhaltspunkte um auch nur irgendeine Spur zu erahnen.
"Flau Palm, ich weiss, ich mische mich vielleicht jetzt in Gildenintelna ein, abel ich blauche unbedingt jeden Hinweis, um ilgendeine sinnvolle Elmittlung übelhaupt beginnen zu können."
Drei Hungrige Mäuler räusperte sich und fuhr fort, "Wann wulde Roxanne das letzte mal gesehen?"
"Gestern abend, gegen Mitternacht, Mya traf sie noch wohlbehalten im Waschraum. Roxanne wollte sich noch kurz frisch machen, denn ein Gentleman machte ihr noch rechtzeitig vor Schichtende seine Aufwartung."
"Und dann?"
"Nun, heute morgen ist sie nicht erschienen und als eines der Mädchen in ihrer Kammer nach ihr sehen wollte, war das Bett unberührt."
"Ich dachte, sie hatte noch einen K...äh, also Besuch gehabt?" Fragend blickte die Gildenexpertin auf.
"Ach Schätzchen, das hat nichts zu bedeuten, Roxanne hat sich, so wie viele andere meiner Mädchen auf spezielle...Techniken spezialisiert."
"Aha?"
"Um genauer zu sein, niemand weiss mehr um das Feuer, das Eiswürfel hervorrufen können, als meine liebe Roxanne." Die ältliche Näherin sah dem Dobermann die Verwirrung ins Gesicht geschrieben an und setzte erklärend hinzu, "Also, nicht gerade Techniken, die sich für Spiele in seidenen Laken eignen. Roxanne hat dafür eine eigens eingerichtete Kammer neben ihrem Schlafraum."
Drei Hungrige Mäuler wusste zwar immer noch nicht, wie ihr diese Informationen weiterhelfen sollten, dennoch notierte sie sich die Auskünfte in ihrem kleinen Notizbuch.
"Wäle es vielleicht denkbal, dass sie mit ihlem letzten Kunden, dessen Name und Adlesse unsele Elmittlungen dulchaus beschleunigen könnten, ähm, aussel Haus gegangen ist?"
"Name und Adresse?" Frau Palm kicherte ungeniert vor sich hin. "Ihr glaubt doch nicht, dass unsere Kunden tatsächlich ihren wahren Namen angeben, oder?" Ein Blick in die unschuldige Miene der Achaterin bestätigte die Befürchtung. "Also, wir haben natürlich ein Gästebuch beim Schalter aufliegen, dennoch sind wir so diskret, dass wir die Angaben unserer geschätzten Besucher hinterfragen. Nicht, wenn sie im Voraus bezahlen und schon gar nicht, wenn sie einen Ehering tragen."
"Wel wal del letzte Gentleman, del Roxanne besuchte?"
"Nun, nur soviel, keiner der üblichen Stammkunden. Nicolette, das Mädchen am Empfang konnte sich aber erinnern, dass er eine Art Ehering trug."
"Eine Alt?"
"Nun ja, er hatte ein Stückchen Kupferdraht um den Finger gewickelt, fast als wäre dies ein Ehering aber dennoch hat er ohne Zögern die vereinbarte Summe in bar hinterlegt."
"Gibt es nähele Hinweise zu diesem Gentleman?" Die Gildenexpertin ließ nicht locker.
"Nun, er nannte sich Doktor Husar und als Adresse gab er ein namhaftes Hotel in der Affenstrasse an, das "Goldene Reiter". Wobei...wie gesagt, gerade bei diesem Gentleman bin ich sicher, dass es nicht der richtige Name war."
"Wieso, Flau Palm?"
"Er war offensichtlich ein Landsmann von euch, meine Liebe."
"Ihl meint, ein Achate?"
"Ja genau."
Während die Lance Korporal eifrig in ihr Büchlein kritzelte, setzte sie nach, "Wieso seid ihl so sichel, dass Loxanne nicht mit dem Gentleman aussel Haus ging?"
"Nun, Paragraph 17a der Gildenordnung - Hausbesuche sind ausnahmslos nur bei Stammkunden zulässig und dem Mädchen am Empfang zu melden. Ausserdem ist hiefür eine Extragebühr zu entrichten."
"Was nicht elfolgte, lichtig?"
"Korrekt", stimmte die Näherin zu.
"Könnte es denn sein, dass Loxanne zu, ich weiss nicht, einem Velwandten in Nöten gelufen wulde, odel vielleicht einen Heilkundigen aufsuchte. Ilgendeine Velabledung vielleicht?"
Rosie Palm schüttelte den Kopf. "Nein, Roxanne hat hier in der Stadt keine Verwandten und auch keinen Freund, das hätte ich gewusst. Und wenn meine Mädchen Probleme mit .... also wenn sie sich gesundheitlich nicht wohl fühlen, haben wir unsere eigenen Spezialisten, die sofort ins Haus kommen. Ausserdem ist Roxanne niemals ausser Haus gegangen, ohne jemandem Bescheid zu geben."
"Hmmm...", die stellvertretende Abteilungsleiterin der DOG war mit ihren Ideen fast am Ende.
"Eine Flage noch, Flau Palm, wie lange ist del Anmeldeschaltel besetzt?"
"Nun, eigentlich bis zwei Uhr nachts und dann wieder ab sechs Uhr morgens. Für Besuche ausserhalb dieser Zeit haben wir eine Notfallsklingel draussen in der Nische neben dem Portal. Aber das wisst ihr Wächter wohl ohnehin."
"Das heisst, jemand könnte unbeobachtet zwischen zwei Uhl und sechs Uhl molgens aus del Bouchelie hinauskommen, velstehe ich das lichtig?"
"Nun, ja, das wäre möglich", gestand die Gildenoberste ein.
"Gut Flau Palm, vielen Dank fül ihle Infolmationen. Wil welden das Velschwinden von Loxanne sichel bald aufgeklält haben. Zul Sichelheit welde ich alleldings ein Spulensichelungstiehm von SUSI bitten, sich Loxannes Kammel genau anzusehen, vielleicht finden die Kollegen ja Hinweise, die auf eine gewaltsame Entfühlung hindeuten."
"Tut, was immer ihr für nötig erachtet, meine Liebe, aber bringt mir mein Mädchen rasch und unversehrt wieder." Frau Palm erhob sich, um die Wächterin hinauszugeleiten.
"Natüllich, Mädäm, dalauf können sie sich vellassen", antwortete die Lance Korporal mit mehr Zuversicht, als sie in ihrem Innersten aufzubringen vermochte.
Die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen hatte begonnen. Die Fanfaren der Jäger hallten noch im Geiste der Achaterin wider.
***Miststück***
...geküßt und infiziert; gehaßt und abserviert...
Diskret wandte Tod seine Blicke von der Szene vor ihm ab. Selten genug kam es vor, dass er vor der vereinbarten Zeit eintraf, doch derzeit herrschte eine ziemlich lockere Auftragslage.
Wenn der junge Mann gewusst hätte, wer ihn aus der Ecke des Mietstalles beobachtete, oder genauer gesagt, taktvollerweise nicht beobachtete, er hätte vermutlich nicht annähernd die gesamte Palette seiner - gelinde gesagt, beschränkten - Fähigkeiten ausgespielt.
Nur zu bereitwillig hatte er der hübschen Kundin sämtliche Vorzüge der neuen Droschke gezeigt, die Hilbert Kumpf, sein Boss, erst letzte Woche erworben hatte.
Sie war einfach umwerfend. Ihre mandelförmigen Augen, schwarz wie der tiefste Abgrund, ihre langen, seidig glänzenden dunklen Haare, ihr schwingender Gang...Seufzend beugte er sich über die schöne Fremde. Schon immer hatte er eine Vorliebe für exotische Frauen, doch bisher hatte ihn noch keine derart einladend aufgefordert...
***Schlag zurück***
... nimm sie auseinander, stück für stück ...
Weshalb hatte Mi Ky sie auch so vor den Kopf stoßen müssen? Warum tat er ihr das an? Liebte er sie denn nicht mehr?
Dass sie nicht mehr attraktiv wäre, nun diesen Punkt hatte sie vor kurzem sehr eindeutig widerlegt bekommen. Dennoch, Männer waren doch alle gleich, sie dachten nur an ihr Vergnügen, nie an die Frau dahinter. Hätte er sich anders verhalten, hätte er nicht die gleiche Gier gezeigt, wie ihr Vater, nun wer weiss...
Mah Loris Fuß schmerzte noch immer ein wenig beim Gehen, aber das Hochgefühl, welches ihr die Panik in seinen Augen im Augenblick ihres Triumphes über den Peiniger verschaffte, ließ sie die Schmerzen vergessen.
Ihre Gedanken wanderten wieder zurück zu Mi Ky, jenem Mann, den sie abgöttisch liebte und ihr wurde klar, dass sie ihm verzeihen würde. Er war nicht so, wie die anderen; der Abschaum, der sie lediglich benutzen wollte. Sollte er seine Abwechslung haben, der blond gelockte Engel war ohnehin nur ein Spielzeug. Ja, sie würde nie wieder an ihm zweifeln, schließlich hatte er ihr, ihr allein, sein Versprechen gegeben, das Mädchen, nun, sie war nicht wichtig, sie war nur ein kurzes Aufleuchten in Mi Kys Augen, sie jedoch war die Fackel, die seinen Weg bis zum Ende beleuchten würde.
Mah Loris Puls beruhigte sich mit jedem weiteren Schritt, den sie durch die dunklen, verwinkelten Gässchen tat.
Als sie die schwach erleuchtete Schenke betrat, zierte ihr übliches gelassenes Lächeln ihre hübschen Gesichtszüge.
Wenig später trat sie zurück hinaus in die nächtliche Kühle der Stadt, ein kleines Päckchen in der Hand. Sie und ihr Liebster würden heute noch mit den Jadedrachen auf den Nebeln tanzen und danach...
Mah Lori ließ ein kehliges Lachen hören, ein Lachen voll der schönsten Verheißungen höchsten Glückes.
Tja und danach würde sie ihn bitten, das Mädchen zu entfernen...
***Himmelfahrt***
...du kennst den Weg und ich bin der Pilot, auf dieser hauchdünnen Bahn - zwischen Leben und Tod ...
Das letzte Sandkorn zwängte sich lautlos durch die Verengung des Stundenglases.
Es war soweit. Michael Bleibtreu hatte seine Chance gehabt, aber er war wohl nicht annähernd so begabt wie der berühmte Casanunda.
Tod drehte sich um und prüfte mit Kennerblick die Szenerie.
Kaum hatte die junge Dame ihrem Unmut freien Lauf gelassen, war sie auch schon durch die Stalltüre geschlüpft, direkt in die gierigen Arme der nächtlichen Stadt. Lediglich ein Hauch von Yasmin lag in der staubgeschwängerten Luft. Und natürlich der Geruch von Schweiß, Blut und - der Schnitter sog die Luft durch die Nasenlöcher - der fast nicht wahrnehmbare Duft grenzenloser Verwirrung.
Unbeholfen rappelte sich sein derzeitiger Kunde auf und klopfte sich geistesabwesend den Staub und die Strohreste vom Hosenboden. Offenbar konnte dieser es nicht glauben, dass die fremdländischen Schönheit so wenig Gefallen an seinem Unterhaltungsprogramm gefunden hatte, dass sie dessen Höhepunkt gar nicht abgewartet hatte. Fieberhaft durchsuchte Michael die Kutsche, doch die Dame glänzte durch Abwesenheit. Lediglich zwei wohlgeformte Mulden im Ledersitz der Droschke und die zerfasernden Wölkchen ihres blumigen Parfums zeugten noch von ihrer Gegenwart.
Streng genommen müsste es eigentlich vergangene Gegenwart heißen, wenn er sich richtig an die hitzige Diskussion mit Aetas zurückerinnerte.
Nein, das war nicht richtig. Der Schnitter runzelte die Stirn. Er würde sich vielmehr daran erinnern werden. Seufzend trat Tod näher an das ektoplasmatische Gebilde, das zu Lebzeiten einst Michael Bleibtreu genannt wurde. Das war schon immer das Problem mit Zeit - sie verwirrte einem die Sinne - sogar jemandem wie ihm.
Entschlossen trennte die schimmernde Klinge der Sense das bläulich glänzende Band, das Michael noch an seinen toten Körper fesselte.
"KOMM, ES IST ZEIT ZU GEHEN, MICHAEL." Tod streckte die knochige Hand nach der wabernden Gestalt des jungen Mannes aus.
"Zeit? Aber...warum? Und wohin gehen wir?" Zögernd flackerte das Gebilde, das mittlerweile nur mehr entfernt an den zusammengekauerten Leichnam mit dem blutverschmierten Gesicht am Fusse des Wagens erinnerte.
"ICH FÜHRE DICH NUR AN DEN PUNKT, AN DEM DEINE REISE BEGINNT. DEN RECHTEN WEG JEDOCH KENNST NUR DU."
"Äh, bevor wir gehen, darf ich dich noch etwas fragen?"
"NATÜRLICH."
"Äh, also...nun ja, es ist mir ein wenig peinlich, aber...wartest du schon lange?"
"OH, ICH WAR TATSÄCHLICH EIN WENIG ZU FRÜH HIER."
"Du hast...Ich meine, du hast...?!?" Ein ersticktes Keuchen entrang sich Michaels Kehle, während ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg.[*Natürlich kann Ektoplasma mangels vorhandener Lebensfunktionen derartige Reaktionen nicht mehr produzieren, aber Menschen halten nunmal gerne an alten Gewohnheiten fest.*]
"42. ICH HABE EXTRA NACHGERECHNET."
Ein Blick auf den Geist genügte ihm.
"DIE STROHBALLEN IN DER HINTEREN ECKE DES STALLES. ES SIND EXAKT 42 STÜCK. ICH BIN NICHT GERNE UNTÄTIG, WÄHREND ICH WARTE."
"Oh Io mio!" Händeringend stürzte Hilbert Kumpf auf den reglosen Körper seines Mitarbeiters zu, geradewegs mitten durch die beiden anwesenden Gestalten.
***Meine Sünde***
...ein letztes mal geb ich der versuchung nach...
Vorsichtig schob sich der, in eine schwarze Uniform gekleidete, muskulöse Mann näher an die Türe. Die Armbrust lag schussbereit locker in seiner rechten Hand. Langsam drückte er Zentimeter für Zentimeter die Zimmertüre auf. Den Göttern sei Dank kümmerte sich in diesem Hause kein Igor um allfällige Hausmeistertätigkeiten.
Er spähte in den Spalt der leicht geöffneten Tür. Der Raum dahinter war noch schwach von ein paar ziemlich herabgebrannten Kerzen erleuchtet und er konnte die Umrisse eines Bettes mit zerwühlten Laken darauf erkennen. Schwacher Parfumduft zeugte von der Anwesenheit einer Frau, der andere Geruch bestätigte ihn in der Annahme, dass er sich nicht in der Adresse geirrt hatte. Prüfend sog er neuerlich die Luft ein. Kein Zweifel, die Jadedrachen hatten getanzt. Vermutlich handelte es sich sogar um einen festlichen Ball, denn der Rauch zwängte sich sogar hier draussen im Flur unbarmherzig in sein Gehirn.
Würde er sie hier nunmehr finden? Und wenn ja, was dann? Wäre er dann endlich am Ziel seiner Träume, würde er seinen Triumph endlich auskosten können?
Noch einmal atmete er tief durch und tat das, was er während seiner langjährigen Ausbildungszeit bis zur Perfektion erlernt hatte.
Der Uniformierte drückte die Türe auf, hechtete ins Zimmer und zielte mit einer geschmeidigen Bewegung auf das Bett, die linke hintere Zimmerecke, die rechte und auf den Bereich hinter der Türe. Vergebens, das Zimmer war leer. Nun, nein, nicht ganz, ein auf den ersten Blick als unerwünschtes Zielobjekt qualifiziertes Bündel Mensch kauerte gefesselt in der rechten Ecke des Raumes.
Leicht enttäuscht erhob sich der Mann wieder auf die Beine. Immerhin, er hatte eine Geisel gefunden, eine die sich wider Erwarten noch am Leben befand und sich als Draufgabe als eine ausnehmende Schönheit mit langen blonden Locken, die ihn aus schreckgeweiteten blauen Augen anstarrte, herausstellte. Ein erstickter Schrei, der sich erfolglos durch ein schmutziges Tuch in ihrem Mund zu quälen suchte, war ihr Willkommensgruss an ihn.
Rosa Hutmacher, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Roxanne, versuchte ihrem Zorn Luft zu machen. Dieses verdammte Achatenpack!
Der Blick auf die stählerne Spitze einer Nummer sieben, die punktgenau auf die Stelle zwischen ihren veilchenblauen Augen gerichtet war, ließ sie vorerst ihren Ärger hinunterschlucken. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, dass der Uniformierte warnend den Zeigenfinger an die Lippen gelegt hatte. Seine Augen erinnerten sie an Onyxe, hart, kalt und unergründlich.
Sie nickte knapp, dass sie verstanden hatte.
Kurz darauf genoss sie das Gefühl, die verbrauchte Luft der kleinen Hotelsuite tief in ihre Lungen zu pumpen. Während sie versuchte, das taube Gefühl aus ihren ansprechenden Gliedmassen zu massieren, musterte sie ihr Gegenüber abschätzend. Er war ihr fremd, hatte aber dennoch etwas Vertrautes an sich - kein Wunder, wenn man so wie sie tagein tagaus in der Boucherie Rouge verweilte, konnte man einen Wächter meilenweit gegen den Wind erkennen. Dienstmarken hatten einfach eine ganz eigene Wirkung auf den Träger selbiger, dazu mussten sie noch nichtmal sichtbar getragen werden. Jedoch würde sie sich hüten, diese Erkenntnis je einem Hüter der Gesetze unter die Nase zu reiben, zu unterhaltsam waren allein die Versuche der Grauen, wenn sie sich mit Lieselottes Hilfe in scheinbar unauffällige Normalbürger verwandelten. Sie und ihre langjährige Kollegin hatten sich schon so manchesmal schiefgelacht, wenn sich wieder ein stolzer verdeckter Ermittler unters Volk mischte.
"Ihr gehört nicht zu den Unsrigen", kam es unfreundlich über Roxannes Lippen.
"Sondereinsatzkommando", entgegnete der Mann schroff. Sein morporkianisch war einwandfrei, ein Zeichen, dass er nicht vertraut mit der Zwillingsstadt an dem zähen Fluss war.
Roxanne vermutete, dass er die Sprache aus Büchern und nicht wie der typische Einheimische auf der Strasse gelernt hatte.
"So? Nun, es überrascht mich nicht, dass Frau Palm eine Spezialtruppe erwirken konnte, aber für eine raschere Befreiung hätte ich mich liebend gerne auch mit einem kleinen Würstchen aus der Kröselstrasse zufrieden gegeben."
"Frau Palm? Ich unterstehe einzig dem Befehl des obersten Herrschers", erwiderte der Wächter.
Roxanne lachte amüsiert auf. "Das tut ihr doch wohl alle, der Kommandeur eingeschlossen. Und nun, zückt euren Notizblock, nehmt meine Anzeige gegen die verfluchten Achaten entgegen und bringt mich danach unverzüglich in die Springstrasse. Ich möchte gern ein Bad nehmen und mich umkleiden." Takt und Diplomatie zählten noch nie zu Roxannes besonderen Talenten, allerdings wogen ihre anderen Fähigkeiten das diesbezügliche Manko mehr als auf.
Leutnant Shaag Ne Ti, Mitglied der kaiserlichen Palastwache Hung Hungs, kämpfte schwer gegen die Versuchung an. 'Noch nicht', hielt er sich selbst zurück. Erst musste er wissen, was dieses Weib wusste. Dann...nun dann würde er wohl erst ein wenig den Tathergang der letzten Stunden rekonstruieren, mit Hilfe der anwesenden Augenzeugin. Doch danach... Nur noch einmal, ein letztes Mal, bevor er an seinem Ziel angelangt sein würde...
Er erlaubte sich ein kurzes Lächeln der Vorfreude und lockerte den Griff um die Armbrust ein wenig.
Das neunundvierzigste bedauernswerte Opfer, das ihren Namen auf die blutige Liste der insgeheim vom Volk gefeierten Rebellen des Kaiserreichs, My Ki und Mah Lori, setzen würde. Wenn sie sich würdig erwies, würde Ne Ti der blondgelockten Teufelin von jenseits der grossen Mauer vielleicht sogar eine Zeile in seinem grossartigen Gedicht widmen. Jenes Gedicht, das ihm unweigerlich die Beförderung zum ersten Kämmerer des Kaisers einbringen würde.
Der Schankraum des Eimers war wie immer in den Abendstunden gut gefüllt. Wächter aller Abteilungen, die das Glück hatten, dienstfrei zu haben, drängten sich rund um die Tische. Die vier DOG's, die sich nach einer relativ ergebnislosen Einsatzbesprechung hinsichtlich des Falles Roxanne ein wenig Inspiration in Form eines BND [*Bier nach Dienst - eine der besten Erfindungen, seit sich die ersten Grüppchen humanoider Spezien zusammengeschlossen hatten, um die Effizienz ihres täglichen Tuns zu produktiver Arbeit zu steigern. Natürlich liefen Körper und Geist dadurch immense Gefahr zu überhitzen, doch dank göttlicher Fügung oder möglicherweise auch aufgrund eines missglückten Experiments eines bis dato unbekannten Erlösers, ward der arbeitenden Bevölkerung ein bestens geeignetes Kühlmittel zum Geschenke gemacht worden*] erhofften, ergatterten mit Müh und Not noch freie Plätze an einem der Tische, an denen sich Mitarbeiter von RUM und SUSI breit gemacht hatten.
Glücklicherweise war weit und breit kein Okkultismusexperte zu sehen, denn das hätte die ohnehin schon üble Stimmung des Fähnrichs keineswegs zum Besseren gewandt.
Neben der stellvertretenden Abteilungsleiterin waren auch noch der zwergische Dobermann und einer der letzten Neuzugänge der Abteilung für Gildenangelegenheiten, der Molosswelpe mit dem schier unaussprechlichen Namen, mit von der Partie.
Kaum hatte sich die Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler zu einem Platz an der Längsseite des Tisches vorgearbeitet, penibel darauf achtend, dass ihr Robin ja auf den Fersen blieb, fühlte sie eine kalte Hand an ihrer Schulter und mit einem freudigen "Hallo Kollegen!", zwängte sich die Gefreite Krulock behende zwischen ihre beiden Vorgesetzten und verwickelte Picardo sogleich in ein wahnsinnig wichtiges Gespräch über die vorige Woche neu aufgenommenen Studenten der von ihr betreuten dunklen Gilde.
Goldie, mit der die Achaterin bereits einiges erlebt hatte, entging die Enttäuschung auf Dreis Gesicht nicht. Kurze Zeit später, schob sie ihr mit einem verschmitzten Zwinkern einen mit roter Flüssigkeit gefüllten Becher zu.
"Hier, Dlei, mach nicht so ein miesepetriges Gesicht, das gibt Falten", meinte sie leichthin und hob ihren Becher auf ein Salut.
Als die Lance Korporal ihren Becher ebenfalls hob, stieg ihr das unverwechselbare Aroma des Schiantis in die Nase. Augenblicklich hatte sie die blassgrünen Kacheln des Aborts der Muffiaspelunke wieder vor Augen.
"Abel, nein, Goldie, bitte, ich kann nicht...du weisst doch, ich habe mil geschwolen, nie wiedel...", versuchte sie zu protestieren.
"Ach was, einmal ist keinmal. Ich bin sicher, der Schantiwein damals war einfach nur verdorben", beschwichtigte die Zwergin, "trink einfach, du wirst sehen, der von Herrn Käse hat eine weit bessere Qualität."
"Schianti", murmelte Drei Hungrige Mäuler korrigierend und nippte an dem Getränk.
Goldie hatte recht, einmal war keinmal und wenn das erste mal dadurch nicht zählte, war das zweite mal wieder der Beginn...
Rechterhand vernahm sie heiteres Gelächter, das sie aus ihren philosophischen Überlegungen riss. Die gutaussehende Gefreite hatte es doch tatsächlich binnen einiger Minuten geschafft, ihren Vorgesetzten aufzuheitern.
Die Versuchung war zu gross. Entgegen aller guten Vorsätze nahm die Achaterin einen grösseren Schluck. 'Zum letzten Mal', schwor sie sich. Anerkennend hob sie die Augenbrauen.
"Du hast lecht, Goldie, del hiel ist wilklich bei weitem bessel."
Die Kollegin nickte geistesabwesend, denn der Welpe hatte ein Thema angesprochen, das dem kleinen Dobermann nach wie vor ein fiebriges Glänzen in die sonst so sanften Augen zauberte. Die Gildenexpertin der Diebe wusste auch ohne dem Gespräch von anfang an gefolgt zu sein, worüber sich die beiden unterhielten - nur ein Thema bewegte die Zwergin so sehr, wie dieses - Recht und Gerechtigkeit. Über kurz oder lang würde sie den angehenden Moloss von der Notwendigkeit der Rettung der gesamten Scheibe zu überzeugen versuchen. Drei Hungrige Mäuler konnte nur hoffen, dass ihr "Azubi" weiterhin erreichbarere Ziele anstrebte, zumindest hatte sie bei dem Bewerbungsgespräch Dippwin als rechtschaffenen Realisten eingeschätzt.
Sie lächelte in Erinnerung an seine ehrliche Entrüstung, als Robin und sie versucht hatten, ihn zur Annahme von Bestechungsgeldern der Muffia zu verführen. Der Gefreite würde wahrlich ein guter DOG werden. Nicht nur, dass er das zugegebenermassen ziemlich schlimme Eignungsgespräch mit Bravour gemeistert hatte - sie hatte heute noch ein schlechtes Gewissen, dass sie sich im Vorfeld nicht näher über Dippwins Situation informiert hatten und ihn dadurch mit einer ähnlich traumatischen Situation aus seiner Zeit bei GRUND konfrontierten, die sein ganzes Leben lang prägen würde - er stellte sich auch während der praktischen Ausbildung nicht ungeschickt an.
Dippwin, der ihren Blick auf sich ruhen fühlte, sah verwirrt auf und wurde augenblicklich verlegen. Ein leichte Röte brachte Farbe in das bärtige Gesicht des ehemaligen Alchemisten.
Still kicherte die Lance Korporal in sich hinein. Wenn doch nur jemand anders ebenso auf ein Lächeln von ihr reagieren würde...
Immerhin, Robin hatte ihr für ihr eigenes Bewerbungsgespräch als Moloss eine mehr als grandiose Umgebung vorgeschlagen - das Casino Ankh-Morpork! Sie hoffte inständig, dass es ihr so bald als möglich gelingen würde, einen der heissumkämpften Tische im angeschlossenen Nobelrestaurant zu reservieren. Es war zwar ein wenig seltsam, dass er sich nicht darum kümmerte - schließlich war die Einladung ja von ihm ausgegangen - aber immerhin, es war wohl eher in die Kategorie Rendezvous als in jene einer Dienstbesprechung einzuordnen.
Abgesehen davon, ihre Bewerbung war ohnehin eine reine Formsache, denn wenn jemand den Posten eines Molosses ideal ausfüllen konnte, dann wohl niemand anders als sie selbst.
Eine weitere nicht unerhebliche Menge des köstlichen Schiantis fand ihren Weg durch die Kehle der Lance Korporal.
Und wenn er sie erst in dem Gut Schi Kleid sehen würde.... Es war genau so, wie er es ihr aufgetragen hatte - knallrot und hauteng. Wie sie allerdings in den dazupassenden Schuhen den Abend überstehen würde, das war Dreis derzeit grösseres Problem.
...........fts???
Tranerova - 3. November, 21:30