Stirb nicht vor mir - Schicksal reloaded

Und noch eine unvollendete Co-Produktion zweier Stadtwächter - diesmal das eingespielte Team Robin Picardo und Drei Hungrige Mäuler ...
Aber alle Geschichten suchen ihr Ende - who knows - möglicherweise findet diese eines, das ihr angemessen ist.

Stirb nicht vor mir - Schicksal reloaded

Vorlage:
Was würdest Du machen, wenn Du die Möglichkeit hättest, den vergangenen Tag noch einmal zu erleben - und somit die Zukunft veränderbar wäre? Du könntest Schaden von Menschen abwenden, Morde oder Unfälle verhindern - und hättest damit die Macht, Schicksal zu spielen. Doch mit welchen Folgen?

Anmerkung:
Wie üblich ist die Storyidee geklaut. Diese Single basiert auf der nach 26 Folgen eingestellten TV-Serie Tru Calling....Es ist nicht wichtig diese Serie zu kennen ;);)
Wie immer haben die Fußnoten in der Single rein gar nichts mit der Geschichte zu tun und können getrost nicht gelesen werden; ihr verpasst also absolut nichts von der Story an sich!
[Robin Picardo]
Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.
(Seneca, röm. Philosoph, 4 - 65 n.Chr.)
* Cori Celesti - Würdentracht *
Normalerweise kümmerte sich Zeit nicht um die Spielchen die die anderen Götter, Götzen und Wesenheiten auf Cori Celesti, dem höchsten Berg in der Mitte der Scheibenwelt, so trieben. Dieses Mal aber blieb sie an dem kleinen Abbild der Welt, mit dem ihre Kollegen so gerne spielten [*'Krieg und Frieden' war in dieser Saison wieder ein Renner unter den Göttern. Weitere Schlager waren auch 'Katastrophe' und das beliebte Gesellschaftsspiel 'Welcher geniale Arzt findet als erster ein Gegenmittel gegen die schrecklich verheerende Seuche'. Immer wieder gerne wurde auch 'Welcher Reiter der Apokralypse ist der Schnellste' gespielt, was durchaus schrecklich verheerende Folgen für manche Landstriche hatte. 'Weltenzerstörer' wurde jedoch nach kurzer Zeit von IO verboten, da sich die Schöpfer lautstark beschwert hatten und ihnen die Überstunden sowieso niemand zahlte. Zusammengefasst ist festzustellen, dass Humor wohl sehr leidet wenn man Ewigkeiten Zeit und vor allem viel Langeweile hat.*], stehen und betrachtete es nachdenklich.
Ausnahmsweise war heute einmal der verzierte Tisch mit dem detailreichen Modell heute verwaist.
'Was würde passieren wenn....', dachte die Zeit, während sich ein schelmisches Grinsen auf ihrem Mund formte.
Langsam beugte sie sich über das kleinen Möbel und ihre Augen begannen sich auf die große Zwillingsstadt am Ankh zu fokussieren.
Selbst hier im 'Modell' konnte die Frau den Moloch von Stadt sogar riechen und hätte eigentlich ihren Sichtsinn nicht übermäßig anstrengen müssen.
"Hm.....", schien Zeit kurz zu überlegen. "Ich nehme den!"
Ihre Hand durchstieß die Atmosphäre der kleinen Scheibenwelt und Zeit tippte mit ihrem Zeigefinger eine kleine Person in mausgrauer Uniform an, die danach ansatzlos zu Boden ging, wie ein Boxer in der 187. Runde.
"Viel Spaß, Kleiner! Nutze es gut!", hauchte die Frau zart und verließ feixend den prachtvollen Saal.
Zeit nahm sich gedanklich vor, Ihr Menschlein ab und an wieder zu beobachten, um zu sehen, was er daraus machte. Irgendwie fand sie es doch sehr 'anregend' ein Haustier zu haben; schämte sich aber für diesen Gedanken und wertete das Ganze schließlich als wissenschaftliche Projektarbeit.
Zumindest beruhigte das ihr Gewissen ein wenig.
* Boucherie Rouge - das AL-Büro, morgens *
Die aufgehende Sonne strahlte zäh in einem satten Orange und tauchte das Büro des Dobermannes in warme Farben und vertrieb die dunklen Schatten. Es dauerte immer ein wenig länger, als an anderen Stellen der Stadt, bis das träge Hell auch den Stadtteil Schatten notdürftig beleuchtete.
Das nicht sehr dezente Klopfen des Wischmobs von Bernedetto Besen, an der Türe des Abteilungsleiters, beendete jäh Robins Schlaf.
Wenn es Picardo nicht besser gewusste hätte, hätte er angenommen, dass der brindisianische Hausmeister mit Absicht sehr laut den Flur wischte und an wirklich jeder Bürotüre heftig mit seinem Putzgerät, aus purer Boshaftigkeit, anstieß. Robin folgerte dies deswegen, weil auch der alte Hauswart den üblichen Tagesrhythmus der Wächter von DOG kennen müsste und es war ja auch wirklich kein großes Geheimnis, dass er zumindest von den Uhrzeiten her, dem der Zauberer der Unsichtbaren Universität ähnelte.
"ICH BIN WACH!!", rief der Wächter und war sich sicher ein hämisches Kichern des alten Besenschwingers zu vernehmen.
Eine schwarze Taube flatterte wegen des lauten Rufes von Picardo verstört von dem schmutzigen Fenstersims des Drunter und Drüber weg und gurrte genervt.
Der Dobermann fühlte sich nicht gut...genauer gesagt fühlte er sich so, als hätte ihm gestern irgendjemand einen kräftig Hieb auf den Schädel verpasst.
Er fühlte sich so seit er gestern das Boucherie Rouge betreten hatte, schob es aber auf seinen allgemeinen Gesundheits- und Gemütszustandzustand.
Robin rieb sich noch einmal die müden Augen, schwang seine Beine aus dem Bett und begann damit sich anzukleiden.
'Eine kleine Abteilungsbesprechung wäre doch etwas Tolles!', dachte sich der Leiter der Dienststelle und ein schmales Lächeln formte sich auf seinem Gesicht. Mal sehen ob er nicht seine müden Molosse, drögen Dobermänner, tranigen Terrier, heulenden Huskys und braven Bulldoggen sinnvoll zum Arbeiten[*arbeiten beschränkte sich in der Dienststelle in der Regel auf das Hüten des eigenen Bürobettes und dem Untersuchen der eigenen Lidinnenseiten auf etwaige Verletzungen. Der 'gemütliche' Grundtenor, der im Boucherie Rouge vorwiegend vorherrschte, brachte in der Regel gute Ermittlungsarbeit und viel gesammeltes Fachwissen zu Tage, aber die DOG konnte von der Action her eben nicht mit den Fröschen mithalten; was der Leiter der Dienststelle aber nicht so schlimm fand. 'DOGs sind hochspezialisierte Allroundwächter!' pflegte sein alter Mentor damals immer zu sagen....und legte sich wieder schlafen, oder ging einen Stock tiefer um die Näherinnen zu beaufsichtigen, oder trank einen Kaffee...wahlweise mit den Näherinnen. Bis jetzt fanden die 'guten' Wächter noch immer den Weg in seine Dienststelle!...*] bringen konnte.
* Ankh-Morpork - eine dunkle Nebenstraße *
Brauner Staub und mannigfaltiger Unrat wurde durch einen kühlen Wind in der düsteren Gasse aufgewirbelt und formte kleine schmutzige und müllbeladene Windhosen [*selbst eine kleine Müllwindhosen hatte in Ankh-Morpork durchaus greifbaren Charakter und träumte hin und wieder davon, sich mittwärtig zueinen ausgewachsenen Tornado zu entwickeln. Ein Los, welches nicht vielen Windhosen vergönnt war.*], die so schnell wie sie erschienen waren, auch schon wieder erstarben.
Nur an einer Stelle sammelte sich der zusammengewehte Müll in der kleinen Gasse....an der Stelle an der ein kleiner zierlicher Körper gebrochen im Straßenschmutz lag.

"ES IST ZEIT!", sprach Tod mit seiner, beinahe wohltönenden, Bassstimme.
Die Gestalt war nicht so entsetzt, wie sie es von sich selbst in dieser Situation eigentlich dachte.
Ganz und gar nicht.
Ihr Sterben hatte viel zu lange gedauert um nun noch großartig über das Erscheinen des Schnitters überrascht zu sein oder etwa Verwunderung zu heucheln.
Kurz fasste sie sich an ihren, nun durchscheinenden, Hals und starrte vor sich auf den dreckigen Boden, wo ihre Leiche in einer immer größer werdenden Blutlache, die schon langsam zu gerinnen begann, lag.
"Mist! Da habe ich wohl nicht aufgepasst ob mich jemand beschattet!!", jammerte sie halbherzig.
"DAS KANN PASSIEREN...UND IST IN MANCHEN FÄLLEN EBEN TÖDLICH!", antwortete Tod der durchscheinenden Seele und es klang beinahe so, als ob er sich gerade über seinen nicht sehr gelungenen Witzamüsierte.
"Ich meine, so was ist doch nicht anständig!!!", moserte die frischgebackene Leiche. "Zudem habe ich mich beinahe fünf Minuten quälen müssen bis es zu Ende ging, ...endlich dann!!"
"ABER ÄNDERN KÖNNEN WIR ES NUN AUCH NICHT!", man hätte meinen können, dass der Sensenmann den klagenden Tonfall der Verstorbenen nachäffte. "ALSO? KÖNNEN WIR NUN?", der Seelenpflücker hob auffordernd das Arbeitsgerät, dass in der Regel Bauern bei der Ernte nutzen, und wenn er Augenbrauen besessen hätte, hätte er auch diese appellierend angehoben.
"Also gut!", die Sense sauste auf das Kommando nieder und versuchte den schimmernden Faden zu durchtrennen, der die kleine Seele noch mit den sterblichen Überresten verband.
"FERTIG!", stellte Tod aus reiner Gewohnheit fest.
"Gewiss???", fragte die Tote zweifelnd das bleiche Gerippe und deutete in einem Moment des schalen Triumphes auf die noch intakte Verbindung.
"KOMISCH?!?", Tod schaute zuerst fragend auf seine Sense und dann auf die durchscheinende Gestalt. "HM, IRGENDWIE SCHEINT ES DOCH NOCH NICHT DIE RICHTIGE ZEIT FÜR DICH ZU SEIN!!"
"So?", begann die sterbliche Seele verwirrt und Nervosität begann sich langsam in Tods Gegenüber breit zu machen.
*Boucherie Rouge- Das Drunter und Drüber*
Ein sanftes, grünes Glühen umgab den Dobermann der zur Abwechslung einmal ruhig in dem großen Himmelbett zu schlafen schien, dass wie hineingezwängt in den verhältnismäßig großen Raum wirkte.
Der Schlaf übermannte den Gildenexperten in sehr unregelmäßigen Abständen, wurde aber meist jäh beendet. Entweder träumte er schlecht, oder irgendein Wächter wusste nicht weiter und brauchte den 'Rat' seines Abteilungsleiters. Ein großes, alt aussehendes Buch mit ledernem Einband ruhte auf der Brust des Fähnrichs und hob und senkte sich bei jedem Atemzug.
Das Drunter und Drüber war um einiges düsterer als das Himmelblaue Knahbenzimmer, in dem Robin noch vor ein paar Tagen residierte.
Dunkle Vorhänge, die vor Äonen wohl einmal weiß gewesen waren, unterstrichen das Ambiente des Zimmers noch mehr. Außer von dem großen Bett wurde der Raum noch von vielen windschiefen Bücherregalen beherrscht. Ein unbedarfter Betrachter fragte sich auch, wer dann noch zusätzlich auf die wahnwitzige Idee kam einen alchemistischen Arbeitstisch samt den dazugehörenden Utensilien in das Büro zu quetschen.
Grundsätzlich fürchtete sich der Dobermann nicht vor dem Schlaf an sich, sondern nur vor seinen Träumen.
Wer einmal den fauligen Atem des Weihnachtsras gerochen hatte und nur eine Millisekunde sich in den Tiefen seiner toten kalten Augen verlor, konnte dem Gildenexperten wohl nachfühlen.
Der Zwei-Komponenten-Dämon den Robin in seinem Körper trug, bewahrte ihn wenigstens vor den schlimmsten Auswirkungen seiner Alpträume - nämlich der Erinnerung an diese nächtlichen Episoden.
Nur ab und zu war nun ein klagendes Ächzen oder ein leises Wimmern aus dem mächtigen Bett zu vernehmen.

Unsanft wurde die Türe zum Abteilungsleiterbüro aufgestoßen und beinahe augenblicklich erstarb das grüne Glimmen.
"Tschuldigung, Sör!", grüßte der Husky Patrick Nichts seinen Abteilungsleiter schnoddrig.
"W..Wa....Wasn?!", fragte der Fähnrich mehr im Halbschlaf als im Wachsein.
"Wir sollen in die Breite Gasse!", begann der Lance-Korporal.
"Schon mal was von anklopfen gehört?", Robin hinkte dieser Konversation mindestens einen Satz hinterher.
Unbeirrt setzte der verdeckte Ermittler fort.
"Es gibt wie üblich Kompetenzprobleme! Es wurde irgendein ermordeter lizenzierter Bettler gefunden, aber keine Quittung der Assassinen!", Nichts plapperte wie ein lancrestinischer Bergwasserfall. "Nun behauptet RUM, dass es ein unlizenzierter Mord wäre, aber unsere Ermittler sagen, da das Verbrechen einen Gildenangehörigen betroffen hat, gehört es zu D.O.G!!"
"Breite Gasse?", Robin drehte seinen Kopf zum, Fenster und stelle fest, dass es wenigstens nicht regnete. "Über deine Manieren gegenüber Vorgesetzten müssen wir noch einmal reden!"
"Ja, aber...", Patrick wurde jäh von Picardo unterbrochen.
"Nichts aber!! Ich hätte auch anderweitig...beschäftigt...sein können!!", maulte der Abteilungsleiter.
"Ach, du doch nicht!!", erwiderte der Husky mit einem Augenaufschlag der Robin die Zornesröte ins Gesicht schießen ließ.
"Raus jetzt!! Ich komme gleich nach!!", der Gildenexperte hätte schwören können ein dreistes Glucksen seines Untergebenen zu hören als dieser die Tür schloss.
* Der Tatort - Breite Gasse *
Gähnend schlüpfte Robin unter der hastig ausgerollten S.U.S.I-Absperrung hindurch und betrat müde den Tatort.
Einige Wächter hatten sich in einigem Abstand im Halbkreis um das vermeintliche Opfer versammelt und diskutierten angeregt.
Auch ohne ein Werwolf oder Vampir zu sein, war das geronnene Blut und die letzten Ausscheidungen des Opfers zu riechen und überdeckten den widerlichen Eigengeruch der Stadt bei weitem und mit Leichtigkeit.
Picardo schluckte trocken.
Selbst nach so langer Zeit als Wächter drehte ihm genau dieser spezielle Odeur immer noch buchstäblich den Magen um. Das Schlimme war, dass man ihn den ganzen Tag immer in der Nase hatte und nicht wieder wegbekam. Selbst der fassbare Duft des stinkenden alten Ron bewies selten eine so große Anhänglichkeit.
Zu den persönlichen Highlights des Gildenexperten gehörten jedoch die bedauernswerten Opfer von Assassinen, die mittels Tiefsee-Blähfischgift inhumiert worden waren. Solche Tatortbilder gruben sich tief in jede Wächterseele und das Aufwischen des Ganzen war zusätzlich eine Aufgabe für Leute die sprichwörtlich Vater und Mutter erschlagen hatten oder einfach nur zu spät zur letzten Abteilungsbesprechung kamen.
Der Gildenexperte schüttelte angewidert seinen Kopf und kehrte in die Wirklichkeit zurück.
Die Herumstehenden bestanden aus dem Tatortwächter Charlie Holm, dessen glimmender Pfeifentabak nur schwerlich gegen das vorherrschende Aroma des Todes ankam, der blassen R.U.M-Ermittlerin Magane, wie immer korrekt behandschuht und Patrick Nichts, der in seiner schwarzen Lederkleidung aussah, als wäre er aus einem Klicker in der fernen Zukunft entsprungen.
"Keine Quittung, also gehört der Fall R.U.M.!", hörte der Gildenexperte noch einen Wächter feststellen.
Jedes Mal stellte sich das selbe Gerangel um Kompetenzen an einem Tatort ein. Natürlich hatte sich noch kleiner der Anwesenden ausgiebig mit dem Opfer beschäftigt.
So langsam war es der Leiter der Dienststelle leid.
Robin näherte sich der Szenerie und achtete nicht weiter auf das übliche Zuständigkeits-Gegacker der umstehenden Wächter.
Die Leiche lag in einer großen Lache Blut, die schon fast vollständig geronnen war. Einige Schmeißfliegen freuten sich über das unerwartete Mahl, staksten aufgeregt durch die zäh werdende rote Masse und nutzen die tolle Gelegenheit auch schon für eine außerplanmäßige Kopulation mit anschließender Eiablage.
Fast wie automatisiert machte sich der Fähnrich daran, ein Bild über die allgemeine Lage zu schaffen.
Vor ihm lag eine kleine Gestalt in ihrem eigenen Köperflüssigkeiten und wenigstens in einem Punkt hatte Nichts recht, offensichtlich ein Bettler.
Abgetragener Mantel mit vielen Flicken und noch mehr Flecken, zerzaustes braunes Haar und einen wirklich ungepflegten Bart. Ein brauner Schlapphut lag achtlos ebenfalls neben dem Leichnam.
'Fast wie aus dem Lehrbuch', es fehlte nicht einmal die Weinflasche die halb aus der Seitentasche des Mantels verstohlen hervorlugte.
Robin gehörte zwar nicht zur Abteilung SUSI und war bei weitem nicht so kompetent wie ein ausgebildeter Gerichtsmediziner in der Lage Verletzungen zu beurteilen, dennoch wandte er sich der offensichtlich tödlichen Wunde zu.
An einigen Stellen reichte Teilung des Fleisches so tief, dass man das Weiß der Halswirbelsäule durchschimmern sah...dennoch schien der Täter dies alles nicht mit einem Streich bewerkstellig zu haben, sondern hatte offenbar mehrfach angesetzt um sein Werk zu beenden.
Die rechte Hand der Leiche lag schlaf auf deren Brust, nahe der Wunde, die andere war gleich einer Klaue in den graubraunen Straßenstaub gekrallt.
Picardo trat noch einige Schritte näher an das Opfer heran und kniete neben ihm nieder um noch besser vielleicht einige wichtige Einzelheiten zu erkennen.
Die Augen des Bettlers waren noch halb geöffnet und die gebrochenen Pupillen blickten ihn leer an. Das Weiß der Augäpfel begann sich schon in ein schmutziges Braun zu wandeln, was darauf hindeutete, dass das verbliebene Blut in ihnen bereits gerann.
'Diese Augen..?', Picardo runzelte seine Stirn
Mit einem heftigen Ruck drehte der tote Bettler seinen Kopf.
"Hiiiiilf miii...!!, krächzte der Leichnam, während Bröckchen von geronnenem Blut aus der Wunde spritzten und für einen kurzen Moment wurden die Augen der Leiche wieder klar.
Der Fähnrich wich erschrocken zurück und fiel mit seinem Hosenboden in den Strassenstaub und erkannte.....
"Aaah..D...", ansatzlos begann sich plötzlich die Welt vor den Augen des Wächters zu drehen und die Zeit begann sich zu dehnen [*Was recht witzig aussah, denn der pinke Trainingsanzug hob sich doch sehr von der anderen Sportbekleidung der restlichen Gottheiten ab [*IO ist gottlob von dem traditionalistischem Ansatz abgekommen, dass die Spiele durch die Athleten durchgängig nackt bestritten werden müssen. Wer will schon eine fette Gottheiten unbekleidet sehen! Ok, er selber wäre ja nicht betroffen davon gewesen, aber die pure Vorstellung daran ließ den Gottvater schaudern.*], aber bei den göttlichen Sportmeisterschaften war sie immer unschlagbar gewesen. Egal wie schnell die anderen Götter liefen, Zeit kam immer einen Wimpernschlag früher an. Die anderen Wesenheiten fragten sich, ob dies noch mit rechten Dingen zuging und schlussendlich wurde Zeit durch IO von den Wettbewerben ausgeschlossen und nur mehr als Kampfrichter eingesetzt. Trotzdem rannte Zeit gerne in ihrer Freizeit und betrachtete dies als ihren persönlichen Ausgleich.*]....
Farben verschwommen und wurden zu einem grauen Brei....
* Boucherie Rouge - das AL-Büro, morgens *
Die aufgehende Sonne strahlte beinahe fassbar in einem satten Orange und tauchte das Büro des Dobermannes in relativ warme Farben und vertrieb so die dunklen Schatten in dem Zimmer.
Das nicht sehr dezente Klopfen des Wischmobs von Bernedetto Besen, an der Türe des Abteilungsleiters, beendete jäh Robins Schlaf.
"AAAaaaahhh....!!", eine schwarze Taube flatterte wegen des lauten Schreis verstört von dem Fenstersims des Drunter und Drüber weg und gurrte genervt.
Das Herz des jungen Fähnrichs klopfte bis zum Hals.
"ICH BIN WAC....", ein Deja-vu? [*Pars Prototo blätterte in einem dicken Wälzer den er sich aus dem B-Raum irgendeiner rundweltlichen Bibliothek gegriffen hatte: "Als Deja-vu-Erlebnis (französisch für schon gesehen; auch die Erinnerungstäuschung oder kurz Deja-vu), auch als Deja-entendu-Phänomen (französisch für schon gehört) oder Deja-vecu-Erlebnis (französisch für schon erlebt) (die ganzen Striche über den französischen Buchstaben musste ich weglassen, weil das Skript sie nicht mochte ;o) ) bezeichnet man ein psychologisches Phänomen, das sich in dem Gefühl äußert, eine an sich völlig neue Situation schon einmal exakt so erlebt, gesehen oder geträumt zu haben. Dabei handelt es sich nicht um eine falsche Wahrnehmung, sondern um ein paradoxes Gefühlserleben (was Wikipedia so alles kann und weiß! ;o) ).", so lautete also die allgemein bekannte Rundwelterklärung für eine solche Begebenheit. Pars schüttelte nachdenklich seinen kleinen Kopf und schloss den dicken Folianten. Hier auf der Scheibenwelt war die Sachlage grundlegend verschieden. Die kleine Wesenheit Pars Prototo kümmerte sich um verdrängte Gedanken und Fantasien aller Bewohner des scheibenförmigen Planteten. Grundsätzlich hätte Pars ja ein tolles Leben führen können(zumindest die meiste Zeit), wenn es sich sein Aufgabengebiet nur um verdrängte schöne Phantasien handeln würde, aber gerade die verdrängten Gedanken (besonders die an ungeliebte Chefs oder Ex-Freundinnen und -Frauen) und ja auch einige kranken Phantasien machten dem kleinen Kerl doch schwer zu schaffen. Manche der abgelegten Gedankenspiele konnte man sich durchaus wie bei einem gemütlichem Klickerabend mit einer Tüte Knallkörner ansehen, andere wiederum verursachten eher schlimme Alpträume.
Irgendeine höhere Gottheit kam vor Äonen einmal auf die grandiose Idee, dass man doch nicht die ganzen verdrängten Dinge so einfach im metaphorischen Orbit Groß A'Tuins verschwinden lassen konnte, da dies ja förmlich eine Verschwendung kosmischer Energie wäre und erschuf deswegen den kleinen Prototo, der nun seinerseits in den Tiefen Cori Celestis für eine anständige 'Ablage' der Gefühle und Gedanken zu sorgen hatte. Leider machte sich die erschaffende Wesenheit nicht so große Gedanken um das Aussehen des kleinen Pars und deswegen konnte man den Kleinen durchaus als optisch zumindest minderbemittelt ansehen. Es schien beinahe, also ab sein Schöpfer nur mehr oder weniger stark gebraucht und abgenutzte Teile, zweiter und dritter Wahl bei seiner Erschaffung zur Hand hatte. Übergroße spitze Ohren, ein viel zu kleines Knubbelkinn, einen erbärmlich rundlichen Körper mit riesigen Füßen, aber zum Ausgleich zu kurze Arme. Wenigstens schien sein Erschaffer genug Falten zur Verfügung gehabt zu haben, denn bei diesen schöpfte er aus den Vollen.
Schon bald war das Lager mit Gedanken und Gefühlen förmlich massenweise überschwemmt, so dass sich der Archivar durch nichts anderes zu helfen wusste, als ab und an verschiedenes gehortetes Geistesgut, zu passenden und unpassenden Momenten, wieder an den ursprünglichen 'Erdenker' freizugeben. So enstanden Deja-vus auf der Scheibenwelt!*]? Der Dobermann stockte abrupt.
Robin schmerzte jeder Knochen in seinem Körper.
'Eine kleine Abteilungsbespr.....', was lief hier ab?
Die Worte 'Breite Gasse' erschienen vor dem geistigen Auge Picardos.
Robin rieb sich noch einmal das Gesicht, schwang seine Beine aus dem Bett und begann damit sich hastig anzukleiden.
LK Drei Hungrige Mäuler
* Pseudopolisplatz - die krickentengrühne Kammer*
"Aaaahhhh...!!!" Zu Tode erschrocken fuhr die Frau in der grauen Uniform hoch. Ihr Puls jagte, das Herz schlug ihr bis zum Hals, an den sie sich unwillkürlich fasste. Langsam gewann die Wirklichkeit an Konsistenz...[*Fast so, wie vor einem nahenden Gewitter, wenn Konturen, bedingt durch kaltes hartes Licht, welches sich vehement durch eine dicke Wolkenschicht zwängt, schärfer hervortreten und die Schatten an Tiefe zulegen. Jene Phase wo sich aufgestaute, zähflüssige Energie schmierig auf schweißnasse Haut legt, der Wind noch im Tiefschlaf liegt, jeder Igor eilig den Blitzableiter am Schlossturm ausrichtet und der Verfasser dieser Zeilen rasch die saubere Wäsche von der Leine draußen holt.*]Nervöse Finger tasteten über die weiche, heiße Stelle zwischen Unterkiefer und Brustbein.

Nun, bis auf eine extreme Trockenheit schien die Kehle der stellvertretenden Abteilungsleiterin der DOG unversehrt zu sein. Ihr vor Panik noch immer wild flackernder Blick huschte hin und her und fing sich in einem Paar brauner Augen, welche ein wenig froschartig auf dem zierlichen Kopf der mittelländischen Schneekuh wirkten.

Ein Paar brauner Augen...die Gedanken der Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler jagten zurück in die jüngste Vergangenheit....ein Paar sehr vertrauter brauner Augen, umgeben von dunklen Schatten schlafloser Nächte...Robins Augen...der brennende Schmerz, metallischer Geschmack auf ihrer Zunge, schmutzig gelbes Licht rußiger Fackeln auf einer geschwärzten Klinge, die bleiche Hand, den blutbesudelten Dolchgriff fest zwischen klauenartige Finger gepresst, der Gestank der Gosse, die schmale Gestalt, die in die nächtliche Gasse trat, abendlicher Nieselregen auf vertrautem Brückenkopfpflaster, die staubige, fensterlose Kammer....

Jäh rissen ihre Gedanken ab. Drei Hungrige Mäuler fuhr sich mit zittrigen Fingern durch ihr strähniges, schweißnasses Haar und legte die Stirn für einen kurzen Moment in die Handflächen. Sie musste ihren Kopf schleunigst wieder klar bekommen und endlich aufhören, sich mit ihren Berichten in dem Ausweichbüro der Boucherie Rouge abends einzusperren, sonst endete sie womöglich als nervliches Wrack, so wie...nun, sie konnte sich nicht für ein Paradebeispiel erwärmen - es gab einfach zu viele Wächter, die Anspruch auf diesen Zustand erhoben.

Abrupt erhob sie sich aus der unbequemen Stellung, in der sie gestern Abend wohl über ihrem Zwischenbericht über die Leistungsprüfung des jüngsten Welpen im Tiehm eingenickt war. Auf wackeligen Beinen stakste sie auf den termitenzerfressenen Hochstand zu, der wohl als schmückendes Beiwerk dem neugestalteten Büro im Hauptwachhaus hinzugefügt worden war - möglicherweise war es auch reine Bosheit, die Bernedetto Besen, Hausmeister und im Zuge der Umbauarbeiten der Ausweichbüros der DOG neuerdings auch Innenarchitekt, dazu veranlassten ihr neben den scheußlichen Trophäen volltrunkener Jagdgesellschaften auch dieses Monstrum ins Büro zu packen. Der einzige Vorteil an diesem - nun da es Teil der Einrichtung war - wohl Möbelstück, bestand darin, dass die morsche Leiter die zu der kleinen Ausgucksplattform hinaufführte mit Flechten überwachsen war, sodass sie ohne Bedenken dahinter ein kleines Tischchen mit achatischen Hausmitteln verbergen konnte.

Die Lance Korporal griff sich einen der abgestoßenen Becher aus trübem Glas und goss ihn mit einer seltsam aromatisch duftenden dunklen Flüssigkeit voll. Nach zwei großen Zügen, hatte sich die Achaterin soweit wieder unter Kontrolle. Langsam kehrte sie zurück an ihren Schreibtisch. Der Blick in den kleinen Handspiegel, welcher immer noch oben auf den Aktenbergen lag, zeigte ein verheerendes Bild der jungen Wächterin. Bleich, die Augen rot verquollen und umschattet von dunklen Ringen...

Robins Augen - die Augen aus dem Albtraum - fielen ihr wieder ein. Konnte es sein, dass...? Wäre es möglich? Hatte die Begegnung mit dem dämonischen Karnickel ihre Spuren hinterlassen? Drei Hungrige Mäuler sah sich wieder mit Robin in der dunklen Kaverne, in der der Beschwörerzirkel damals versuchte, den dämonischen Lord mit dem unaussprechlichen Namen, in diese Dimension der Scheibenwelt zu holen. Wer oder was in Form des grünen Kaninchens tatsächlich unten in der Höhle erschienen war, war ihr bis heute nicht klar und immer noch verfluchte sie sich selbst dafür, Robins Hand nicht rechtzeitig von dem leuchtenden Ding aus den Niederhöllen weggeschlagen zu haben. Im Gegenteil. Durch ihr Eingreifen kam es dazu, dass sie zeitgleich mit ihrem Vorgesetzten den Hasen berührte...sie ihn wohl seither beide zu gleichen Teilen in sich trugen, doch keiner von ihnen wagte bis heute diese Angelegenheit je wieder zu erwähnen. Wozu auch? Offiziell war nichts passiert und inoffiziell eigentlich auch nichts. Zumindest nichts, dass sie auf den Zwischenfall mit dem Hasendämonen schieben konnte. Dennoch fühlte sie seit geraumer Zeit gewisse Veränderungen an sich selbst und nun dies. Albträume!
Erschreckend real und grauenvoll war sie gezwungen, ihr eigenes Ableben noch vor wenigen Minuten miterleben zu müssen. Warum aber Robins besorgter Blick? War es eine Warnung? Oder waren sie seit dem Missgeschick in der Kaverne auf gewisse Weise verbunden? Konnte es sein, dass sie nunmehr die gleichen Albträume heimsuchten, wie den Dienststellenleiter der DOG? Würde sie die nächste sein, die gezwungen war Nacht für Nacht die gleichen Träume wie er zu erleiden? Würde auch ihr Schmuck sich bald auf tiefe Ringe unter den Augen beschränken?

Energisch zwang sie sich, sich wieder auf die Realität zu konzentrieren.
Es war bloß ein Traum. Basta. Nichts weiter, nur ein schrecklicher Traum.
Die Lance Korporal griff sich ein Memo, welches sie achtlos beim Bearbeiten des Berichtes am Abend zuvor beiseite geschoben hatte und überflog die paar Zeilen, die ihr Fähnrich Picardo per Eiltaube übermitteln ließ.
Ärgerlich zerknüllte sie das Stückchen Pergament und warf es in eine Ecke.

"Das dalf doch wohl nicht wahl sein! Wieso klieg immel ich diese Auftläge?!?"
Jäh flammte der Zorn auf das System der Wache im allgemeinen und auf Robin im besonderen auf. Warum nur hatte er ihr nicht den freien Molossposten - wenigstens versuchsweise - geben können?
Aber nein, sie war nach seiner Meinung wohl nicht gut genug für diesen gefährlichen Posten trainiert. SIE durfte sich lediglich auf die theoretische Ausbildung ebendieser Welpen konzentrieren und zum Trost bloß ihre eigene Ausbildung zum Husky beginnen. Das kleine Detail am Rande, aus freien Stücken in den Vorschlag ihres Vorgesetzen eingewilligt zu haben, ließ sie geflissentlich außer acht. Schließlich störte dieser Umstand nur ihre düsteren Gedanken und immerhin war sie eine Frau. Frauen waren seit Menschengedenken Meister im Verklären von Tatsachen. [*Die Geschichte gibt ihnen recht, denn ohne der Schlange, als hinterlistige Verführerin, würde es der omnianischen Fabel mit dem Apfel und dem Garten Eden gewaltig an atemberaubender Spannung gefehlt haben. Wer möchte schon hören, dass die Vertreibung aus dem Paradies geschah, weil das Weib der ihr angeborenen Neugier nachgegeben hatte?*]

Wütend stapfte die kleine Frau durch das in beruhigenden Grüntönen gehaltene Zimmer. Jäh hielt sie inne, blickte dem Exemplar der frigiden Fjordgans vorwurfsvoll in die Glasmurmeln und fragte sie, "Wenn el wilklich so viel auf mich hält, wie el immel sagt, wieso bei allen Dämonen muss ich immel die Dlecksalbeit elledigen?"
Ausdruckslos erwiderte die Gans den Blick.
"Na gut! Bitte! Wenn el meint, dann welde ich eben diese bescheuelte veldeckte Elmittlung dulchfühlen. Kein Ploblem. Wild elledigt, Söl. Natüllich!"
Spöttisch salutierte der Dobermann vor einem besonders edlen Exemplar eines tezumanischen Grunzotters, schnappte sich im Hinausgehen ihren Umhang und knallte schwungvoll die Bürotüre hinter sich zu.
Ohne weiter auf ihre Umgebung zu achten, bahnte sie sich ihren Weg zum berühmt-berüchtigten Fundus der Dienststelle zur Observation von Gildenangelegenheiten, um sich für die anstehende verdeckte Ermittlung entsprechend auszurüsten.

***Springstrasse 21, Keller***

Der DOG-Fundus - unendliche Weiten. Dies ist ein Einblick in die geheime Welt chaotisch hingeworfener Kleidungsstücke, die bereits Generationen von Flöhen, Milben und der berüchtigten Tineola Bisselliella als Unterkunft und Nahrung gedient hatten. Und keinesfalls schlecht.
Hustend tastete sich die stellvertretende Abteilungsleiterin der Grauen durch knöchelhohen Staub und Spinnweben, bis sie in der hintersten Ecke des fensterlosen Raumes auf eine zerfledderte Schachtel stieß. Behutsam stellte sie die rostige Laterne auf einem freien Fleckchen Bodens ab und zog mit spitzen Fingern die benötigte Gewandung aus dem Karton. Mit angehaltenem Atem wartete sie, bis eine handtellergrosse Spinne ihren Nachwuchs evakuiert hatte und tauschte danach ihre Uniform gegen die Verkleidung. Natürlich nicht ohne den in solchen Situationen angebrachten angewiderten Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen.
Haarteile und Hut komplettierten ihren Aufzug und die Achaterin verließ den Ort um ihre erste eigenständige Ermittlung als Husky zu beginnen.

***Ankh Morpork bei Nacht***

Es regnete. Dort wo das Mondlicht trübe durch die engen Zwischenräume der baufälligen Häuser durchsickerte, glänzten die Pfützen zwischen den Steinen der Gasse kränklich auf. Das brüchige Katzenkopfpflaster bohrte sich unbarmherzig durch die löchrigen Stiefelsohlen der vermummten Gestalt. Mit tiefem Bedauern stellte sie fest, dass die Flasche billigen Fusels keinen einzigen Tropfen mehr enthielt. Seufzend schob sie sie wieder zurück in die Manteltasche, als gedämpfte Stimmen aus der Nebengasse näherkamen.
Krächzendes Gebrabbel drang aus ihrer durstigen Kehle hervor.

"Was heißt, ich bin schuld?"
Die Stimmen wurden lauter und klarer als sie sich der Hausecke näherten.
"Wer hat denn die Vase von Großtante Gunhilda bei dem Trödler eingetauscht? ICH etwa?" Der keifende Unterton stellte zweifelsfrei klar, dass es sich bei der zweiten Person um eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts handelte.
"Wer versteckt denn heutzutage noch seine Ersparnisse in solch einem häßlichen Pott?" Die dunkle und nichtsdestoweniger durchdringende Stimme gehörte eindeutig einem Mann. Unterwürfige Verzweiflung gepaart mit einem Anflug aufkeimender, jedoch sicherheitshalber unterdrückter Wut, schwangen im letzten Satz mit.
Beide Stimmen waren Teil eines weitverbreiteten Phänomens - zwei sich äusserst zugetane Menschen, die zum Zeitpunkt höchster Euphorie, wahlweise Katerstimmung nach einer feuchtfröhlichen Nacht, sich ewige Treue geschworen hatten. Eheleute!
"SCHÄPPER!!!" Laut klappernd schob sich die Blechbüchse zwischen die Streithähne, als diese in die kleine Gasse traten.
"Aaaaah! Friedbert, so tu doch was!", kreischte die bessere Hälfte des Paares, während sie versuchte, vierzig Jahre Auswirkung deftiger Hausmannskost hinter dem dürren Leib ihres Göttergattens in Sicherheit zu bringen.
"Hau ab!", knurrte Friedbert, während er demonstrativ ein vergammeltes Stückchen Pergament aus seinem Wams hervorkramte. "Hier, meine Quittung. Ich hab bereits gespendet und hier", er hielt dem Bettler einen Daumen, eingehüllt in einen Streifen schmuddelige Mullbinden, unter die Nase, "den rostigen Nagel, als Werbegeschenk für die grosszügige Spende von 10 Cents habe ich ebenfalls erhalten!" Sprachs und zog seine Holde in entgegengesetzte Richtung die dunkle Gasse hinunter.
Grummelnd und brummelnd ließ der Angehörige von Königin Mollys Hofstaat sein Arbeitswerkzeug sinken.
Er hatte mittlerweile die Nebengasse betreten und im Schein einer rußigen Fackel erkannte er weiter vor sich die kleine Spelunke "Zum trotzigen Mägdelain". Ja, hier war er richtig, Dunkelsteinergasse 5.
Ächzend zog sich der Brummler auf die oberste Stufe einer Kellertreppe zurück, den Schlapphut zum Schutz vor dem Regen tief in die Stirn gezogen, die wachen Augen jedoch starr auf den Eingang der Taverne gerichtet, als sich ein stechender Schmerz explosionsartig in seinem Körper ausbreitete.
Ungläubig sah der Bettler an sich herab und konnte nicht umhin, das solide verarbeitete Ende des Armbrustbolzens in seiner Brust zu bewundern. Er war kein Kenner der Materie, doch dies war mit Sicherheit nicht die Munition einer gängigen Nummer Fünf...

***

"ES IST ZEIT!", sprach Tod mit seiner, beinahe wohltönenden, Bassstimme.
Die Gestalt war nicht so entsetzt, wie sie es von sich selbst in dieser Situation eigentlich dachte.
Ganz und gar nicht.
Ihr Sterben hatte viel zu lange gedauert um nun noch großartig über das Erscheinen des Schnitters überrascht zu sein oder etwa Verwunderung zu heucheln.

***Springstrasse 21, Keller***

Hustend tastete sich Drei Hungrige Mäuler durch knöchelhohen Staub und Spinnweben, bis sie in der hintersten Ecke des fensterlosen Raumes auf eine zerfledderte Schachtel stieß. Behutsam stellte sie die rostige Laterne auf einem freien Fleckchen Bodens ab und trat gegen den Karton. Sie ahnte, nein, komischerweise musste sie sich eingestehen, dass sie wusste, was gleich passieren würde. Mit angehaltenem Atem wartete sie, bis eine handtellergrosse Spinne ihren Nachwuchs evakuiert hatte und tauschte danach ihre Uniform gegen die Verkleidung, die sie mit spitzen Fingern aus der Kiste zog. Natürlich nicht ohne den in solchen Situationen angebrachten angewiderten Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen.
Was für ein seltsamer Tag...
Zuerst das jähe Erwachen aus einem furchtbaren Albtraum, dann das Memo von Fähnrich Picardo, über das sie sich masslos geärgert hatte und jetzt hier im Fundus der DOG. Sie wurde das Gefühl nicht los, den Tag bereits erlebt zu haben.
Resolut rückte sie Perücke und Hut zurecht. "Blödsinn", murmelte sie in den verfilzten Bart, "ich bin einfach nul ullaubsleif."
Auf dem Weg nach draußen, hörte der angehende Husky schwere Schritte eilig die Treppe zu den oberen Geschossen der Boucherie heruntereilen. Doch sie hatte keine Zeit für einen Plausch mit einem Kollegen - ihre erste verdeckte Ermittlung wartete.
Mit lautem Krachen fiel die schwere Eichentür des Etablissements hinter der Achaterin ins Schloss.
Regen peitschte ihr ins schmutzverschmierte Gesicht, als sie durch die nächtlichen Strassen der Stadt eilte, um zu ihrem "Rendezvous" mit dem Müffelnden Michael nicht zu spät zu kommen. Schließlich hing es von seiner Aussage ab, ob die Stadtwache den Täter nunmehr ausforschen konnte, oder nicht. Sie hoffte inbrünstig, überzeugend zu wirken, denn der lizenzierte Bettler galt nicht als besonders kommunikativ, so stand es jedenfalls in den Aufzeichnungen des ReGGil. Der Einsatz erforderte ihr ganzes schauspielerisches Talent und natürlich den richtigen Zeitpunkt, Michael mit durch billigen Inselrum gelockerter Zunge zu erwischen. Laut den DOG-Unterlagen bevorzugte der Informant wider Willen eine Kneipe namens "Grüner Kakadu", glücklicherweise stand die Adresse in Robins Memo.

****

Beobachten - Menschen, Verhaltensweisen, Entwicklungen - schon als kleiner Junge hatte er eine Schwäche dafür, seine Umgebung förmlich in sich aufzusaugen und mit der Zeit hatte sich dieses Steckenpferd zu einem Beruf, nein vielmehr einer Berufung gewandelt. Dies war das wahre Geheimnis des Erfolges, der ultimative Weg zu wahrer Macht. Erkenne deinen Gegner bevor er sich selbst erkennt und er wird berechenbar - eine Marionette, deren leblose Fäden sich nach einem Puppenspieler sehnen, ein aufgezäumtes Pferd, in Erwartung erfahrene Hände an den Zügeln zu spüren...
In der Stadt gab es nur einen einzigen ernstzunehmenden Gegner in der Königsdisziplin und noch war dieser ihm einen kleinen Schritt voraus. Ein kleiner Schritt, aber Welten entfernt - Welten die einen schwarzen, leicht abgewetzt wirkenden Anzug, ein rechteckiges Büro und eine wohlgefüllte Skorpiongrube umfassten. Doch irgendwann stolperte auch der trittsicherste Wanderer...und dann, ja dann würde er zur Stelle sein. Nicht um ihm aufzuhelfen, aber um ihm den Weg in den gähnenden Abgrund zu erleichtern...

****

"Was zum Henkel...!"
Sie hatte das Gefühl, ihr Rückgrat würde entzweigespalten werden. Sein?
Angestrengt schielte die verdeckte Ermittlerin über die Schulter und versuchte gleichzeitig den Informanten aus den Reihen der Bettlergilde im Auge zu behalten, der sich wankend und brabbelnd stetig von ihr fortbewegte. Tatsächlich! Der Schmerz war nicht eingebildet - schemenhaft konnte die Wächterin den polierten Griff und einen Teil des wunderbar polierten silberglänzenden Blattes einer Wurfaxt erkennen. Einer Wurfaxt, deren scharfer Teil ziemlich tief in ihrem Rücken steckte.
Panisch versuchte sie das, wovor jeder Igor seine Kundschaft eindringlich warnte - so diese noch imstande war, die wohlmeinenden Worte zu vernehmen - sie versuchte die nach Blut und Knochen gierende Waffe aus ihrem Körper zu entfernen. Rascher, immer rascher verdunkelte sich ihr Gesichtsfeld. Im letzten Fleckchen Wirklichkeit erkannte sie eine vertraute Gestalt mit wehendem Umhang auf sie zueilen und wusste, er konnte es nicht schaffen. Und doch hoffte sie auf ein Wunder...
"Lobiiiin, hiiiilf", der Schrei, geboren aus wilder Angst und lähmendem Verstehen, ihr letztes Sandkorn an die untere Hälfte ihrer Lebensuhr verloren zu haben, erstarb als ersticktes Röcheln auf ihren Lippen.
Ein letzter Blick in vertraute braune Augen.
Und die Welt wurde schwarz.

****

"Aaaahhhh...!!!" Zu Tode erschrocken fuhr die Frau in der grauen Uniform hoch. Ihr Puls jagte, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

"So, aus, jetzt leichts!" Energisch erhob sich Lance Korporal Drei Hungrige Mäuler aus der unbequemen Stellung, in der sie zum wiederholten Male über Akten gebeugt am Schreibtisch eingenickt war.
Ihr Blick fiel auf ein unschuldig daliegendes Memo vom Dienststellenleiter der DOG. Es trug den Vermerk "Dringent".
Nun, das einzige, das die Achaterin in diesem Moment als dringend empfand war eine schonungslose Unterredung unter vier Augen mit dem Fähnrich. Ein Gespräch über Hasendämonen, Albträume und den Fall "Mülleimer Palastwache" - eine unappetitliche Kompetenzstreitigkeit zwischen Hunde- und Bettlergilde, mit tödlichem Ausgang. Sie musste Robin nachdrücklich bitten, den Fall und die damit verdeckte Ermittlung innerhalb der menschlicheren der beiden Gilden jemand anders zu geben, denn ihre Nerven spielten diesmal einfach verrückt.
Sie straffte die Schultern, nahm ihren Umhang vom Haken und öffnete die Tür der krickentengrühnen Kammer - just in dem Moment als Fähnrich Picardo Anstalten machte, an ebendiese zu klopfen.


Fts folgt...

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